Geplantes Abkommen beider Länder gegen Steuersünder steht auf der Kippe – und die Schweiz geht per Haftbefehl gegen deutsche Fahnder vor.

Düsseldorf. „Haltet den Dieb“ – das klingt so eindeutig. Aber nun ist ein lautstarker Konflikt zwischen Deutschland und der Schweiz darüber entbrannt, wer auf die Fahndungsliste gehört - Steuerhinterzieher oder Steuerfahnder. Die einen haben Milliardenvermögen an der Steuer vorbei in die Schweiz geschafft, die anderen deren Daten aus der Schweiz nach Deutschland geholt. Und nun streiten beide Länder darüber, wer Täter und wer Opfer ist. Die Schweiz sucht drei Fahnder aus Nordrhein-Westfalen per Haftbefehl. Hierzulande sorgt das für Empörung.

+++ Wolfgang Schäuble - Der Schweiz-Versteher +++

Die Deutsche Steuergewerkschaft bezeichnet den Fall als „grotesk“. Auch SPD und Grüne finden deutliche Worte: Von einem „unfreundlichen Akt“ sprach der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagfraktion, Carsten Schneider. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sieht Wolfgang Schäuble (CDU) am Zug: „Der Finanzminister muss sich vor die Beamten stellen und darauf drängen, dass die Haftbefehle aus der Welt geschafft werden.“

Für den nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) ist der Fall klar: „Die wahren Täter sind nicht unsere Fahnder, sondern die, die in Deutschland gern alle Voraussetzungen in Anspruch nehmen, um große Vermögen anhäufen zu können, sich dann aber aus dem Staub machen und das Bezahlen den Steuerehrlichen überlassen. Zu den Tätern gehören auch die, die die Beihilfe zum Steuerbetrug zum Geschäftsmodell erhoben haben.“

Es gibt keinen Zweifel, wen Walter-Borjans damit meint – unter anderem die Schweizer Banken. Aber wer deren Geheimnisse lüften und sich Daten über ihre Kunden beschaffen will, der ist aus Schweizer Sicht ein Spion: „Es besteht der konkrete Verdacht, dass aus Deutschland klare Aufträge gegeben worden sind zum Ausspionieren von Informationen der Credit Suisse“, sagte der Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber am Samstag im Schweizer Radio zu den Haftbefehlen.

+++ Heftige Reaktionen nach Haftbefehl gegen Steuerfahnder +++

Letztlich geht es also auf beiden Seiten um die Frage, ob der Zweck die Mittel heiligt. Schweizer Banken wollen ihren Kunden Sicherheit und Diskretion bieten und geben dem Datenschutz Priorität vor dem Wissensdurst ausländischer Steuerfahnder. Und die Finanzbehörden in Deutschland möchten hinterzogene Vermögen nach Hause holen und arbeiten dafür auch schon mal mit Leuten zusammen, die für viel Geld Daten auf eine CD brennen und verkaufen.

Ein Ausweg schien möglich: Ein Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz sollte dafür sorgen, dass von 2013 an Erträge deutscher Anleger in der Schweiz mindestens genau so hoch besteuert werden wie in Deutschland. Aber dieses Abkommen steht auf der Kippe, denn aus den Verhandlungen zwischen Deutschland und der Schweiz ist ein Streit zwischen Regierung und Opposition in Berlin geworden.

Die von SPD und Grünen geführten Länder lehnen das Abkommen auch nach Zugeständnissen der Schweiz weiter ab. Das rheinland-pfälzische Finanzministerium erklärte die Nachverhandlungen am Freitag für gescheitert. Bundesfinanzminister Schäuble hoffte aber weiter auf eine Einigung. Kein Abkommen, das wäre seiner Meinung nach die schlechteste Lösung. In diese Gemengelage platzte nun der Schweizer Haftbefehl gegen die drei deutschen Steuerfahnder.

Kommentar des Hamburger Abendblatt

Im Steuerstreit mit Deutschland ist die Schweiz in einer schwachen Position. Die Haftbefehle machen für das Nachbarland alles nur noch schlimmer. Wohl versucht die Regierung in Bern, noch hier und da ein Rückzugsgefecht für sich zu entscheiden. Doch in den Bankhäusern weiß man längst, dass die Verwaltung von Schwarzgeld kein Geschäftsmodell mehr sein kann. Früher oder später wird man reinen Tisch machen müssen. Ein Land von der – auch realwirtschaftlichen – Bedeutung der Schweiz wird es sich bei zunehmendem internationalen Druck auf Dauer nicht mehr leisten können, etwa mit dem berüchtigten karibischen Steuerparadies Cayman Islands auf eine Stufe gestellt zu werden.

(dpa/abenbdlatt.de)