Deutschland sollte im Steuerstreit mit der Schweiz selbstbewusster auftreten

Es ist eine dieser Meldungen, bei der man sich wenigstens ein paar Sekunden lang nicht ganz sicher ist, ob sie vielleicht nur ein schlechter Aprilscherz ist: Die Schweizer Staatsanwaltschaft hat Haftbefehle gegen drei nordrhein-westfälische Steuerfahnder erlassen. "Wirtschaftsspionage" lautet der Vorwurf gegen die Ermittler, die Anfang 2010 am Ankauf einer CD mit Daten über deutsche Kunden der Großbank Credit Suisse beteiligt waren.

Wäre die Aktion der eidgenössischen Justiz tatsächlich eine Retourkutsche auf die Bestrebungen der Bundesrepublik, Steuerflucht künftig konsequenter zu verfolgen und dabei auch die Schweiz als eines der einschlägigen Zielländer in die Pflicht zu nehmen, müsste man sie zweifellos als "ungeheuerlichen Vorgang" werten; starke Worte, die von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) stammen.

Tatsächlich jedoch dürfte die Ursache weit banaler sein: Wahrscheinlich hatte der zuständige Staatsanwalt gar keinen Ermessensspielraum - schließlich gilt in der Schweiz jeglicher Verstoß gegen das Bankgeheimnis als Straftat. Sollte es anders sein, wäre das Vorgehen des Beamten eine unverzeihliche Instinktlosigkeit.

Denn im Steuerstreit mit Deutschland ist die Schweiz ohnehin in einer schwachen Position. Die Haftbefehle machen für das Nachbarland alles nur noch schlimmer. Wohl versucht die Regierung in Bern, noch hier und da ein Rückzugsgefecht für sich zu entscheiden. Doch in den Bankhäusern weiß man längst, dass die Verwaltung von Schwarzgeld kein Geschäftsmodell mehr sein kann. Früher oder später wird man reinen Tisch machen müssen. Ein Land von der - auch realwirtschaftlichen - Bedeutung der Schweiz wird es sich bei zunehmendem internationalen Druck auf Dauer nicht mehr leisten können, etwa mit dem berüchtigten karibischen Steuerparadies Cayman Islands auf eine Stufe gestellt zu werden.

Vor diesem Hintergrund ist es schwer verständlich, warum sich die deutsche Bundesregierung gegenüber der Schweiz mit einem Abkommen zufriedengeben will, das Steuersündern weiter die Anonymität sichert, sofern nachgezahlt wird. US-Präsident Barack Obama hat bewiesen, dass es auch anders geht.

In Berlin sollte man sich bewusst sein, dass Steuerhinterziehung, zumal wenn sie von begüterten Personen verübt wird, ein hoch emotionales Thema in der Bevölkerung ist - der Fall des früheren Post-Chefs Klaus Zumwinkel hat das eindrucksvoll gezeigt. Jeder Anschein, man lasse vermögende Steuerflüchtlinge unnötig glimpflich davonkommen, schwächt das Vertrauen in den Staat nur noch weiter. Insofern setzte der Bundesgerichtshof im Februar ein wichtiges Signal: Wer Steuern von mehr als einer Million Euro hinterzieht, kann nun im Regelfall nicht mehr mit einer Bewährungsstrafe rechnen, er muss ins Gefängnis.

Doch auch wenn an der Amnestie für "Altfälle" nicht gerüttelt wird, darf man hoffen, dass das angestrebte Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz nur ein Zwischenschritt ist. Denn erst ein weltweit verbindlicher, automatischer Datenaustausch zwischen allen Staaten würde endlich wirksam zu größerer Steuerehrlichkeit beitragen.

Dies muss das Ziel sein - und fast mit Sicherheit haben die Bankvorstände jenseits des Bodensees längst Szenarien für eine solche Zukunft in der Schublade. Auf die angeblich 150 Milliarden Euro Schwarzgeld aus Deutschland müsste man dann zwar verzichten. Aber der Bankenstandort Schweiz würde nicht zusammenbrechen. Für die Reichen dieser Welt gäbe es immer noch ein paar gute Gründe, ihr ordnungsgemäß versteuertes Geld in Zürich oder Genf anzulegen - zum Beispiel die politische und wirtschaftliche Stabilität.