Hausdurchsuchung bei Wulff. Die Pension des Ex-Bundespräsidenten ist rechtlich einwandfrei. Doch Rufe nach Verzicht werden lauter.

Berlin. Der Herr Bundespräsident a. D. sei "kooperativ" gewesen, gab ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover zu Protokoll. Einen richterlichen Durchsuchungsbefehl brauchten die fünf Beamten des Landeskriminalamts und ein Staatsanwalt nicht vorzuzeigen, als sie am späten Freitagnachmittag kurz nach 17 Uhr an Christian Wulffs Tür in Großburgwedel klingelten. Die Durchsuchung im Privathaus folgte im Einvernehmen mit dem Ehepaar Wulff. Die Ermittler stellten Computer samt Festplatten sicher, so wie sie es am Vortag bei Wulffs Freund, dem Filmunternehmer David Groenewold, in Hannover und Berlin getan hatten.

Beide Durchsuchungen standen im Zusammenhang mit den Ermittlungen wegen Verdachts der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung. Wulff hatte sich als niedersächsischer Ministerpräsident auf Kosten des Filmunternehmers David Groenewold einen Kurzurlaub auf Sylt bezahlen lassen und behauptet, später den Betrag in bar zurückerstattet zu haben. Zugleich hatte eine von Groenewolds Firmen eine Landesbürgschaft erhalten.

+++ Durchsuchung von Wulff-Haus nach knapp vier Stunden beendet +++

+++ "Wulff sollte es möglich sein, sich ein Leben ohne Rente aufzubauen" +++

Die Durchsuchungen markierten für Wulff den nächsten Tiefpunkt in der Affäre um Gefälligkeiten, die am 17. Februar zu seinem Rücktritt geführt hatten. Als Tiefpunkt mag Wulff auch die immer hitziger geführte Debatte um seinen Ehrensold empfinden: Soll das 52 Jahre alte Ex-Staatsoberhaupt nach nur 20 Monaten Amtszeit weiter sein volles Gehalt beziehen? Am Mittwoch hatte das Bundespräsidialamt dazu klar Ja gesagt und die lebenslange Sofortrente von rund 199.000 Euro pro Jahr bewilligt.

Gesetz ist Gesetz - so sieht es der sonst so forsche Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin, der an Wulffs Ehrensold nicht rütteln will. Die Regelung solle schließlich verhindern, dass der Erste Mensch im Staat nach seinem Ausscheiden von mächtigen Akteuren und Interessen in der Wirtschaft abhängig werde, sagte Trittin der "Rhein-Zeitung".

Anders als Trittin haben einige Haushaltspolitiker ein ziemlich großes Problem mit Wulffs beeindruckender Frührente. So verlangte der FDP-Obmann im Haushaltsausschuss, Jürgen Koppelin, Wulff sollte das Ruhegeld nicht bekommen, da er nicht aus politischen Gründen zurückgetreten sei. "Warum sollte der vier, fünf Mitarbeiter haben, warum soll er einen Fahrer haben, welche Gründe gibt es, welche offiziellen Termine?", fragte Koppelin und erntete Widerspruch aus der Koalition.

"Der Ehrensold steht Christian Wulff in voller Höhe zu", sagte Stefan Müller, parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, dem Abendblatt. Er schlug aber einen Kompromiss vor: Sollte Wulff wieder beruflich aktiv werden und Geld verdienen, sollten seine zukünftigen Gehälter auf den Ehrensold angerechnet werden, so Müller. "Diese Regelung muss kommen und für alle ehemaligen Bundespräsidenten gelten."

Koppelins Schmerzgrenze ist so schon überschritten. Denn wie allen weiteren früheren Bundespräsidenten steht Wulff ab sofort ein Auto mit Fahrer, ein Büro, ein Referent und eine Sekretärin zur Verfügung: Dadurch entstehen weitere Kosten von monatlich etwa 280.000 Euro. Koppelin appellierte an den jüngsten Ex-Bundespräsidenten der Geschichte: "Verzichten Sie auf den Ehrensold. Sie sind noch ein junger Mann, Sie können irgendwo in irgendeinem Bereich sicher noch Ihren Lebensunterhalt verdienen." Wulff könne den Ehrensold auch für gemeinnützige Zwecke spenden, schlug Koppelin weiter vor. Auch SPD-Vorstandsmitglied Heiko Maas riet Wulff zum Verzicht. "Damit könnte er endlich ein Signal der Einsicht und des Bedauerns senden."

Die große Mehrheit der Bevölkerung sieht es ähnlich. Im aktuellen Deutschlandtrend der ARD-Tagesthemen sprachen sich 84 Prozent gegen die Zahlung aus. Nur 15 Prozent waren dafür. Der Bund der Steuerzahler forderte Wulff auf, angesichts der aufgeheizten Stimmung selbst Klarheit zu schaffen. "Herr Wulff muss jetzt Stellung zum Ehrensold beziehen. Die Menschen erwarten eine Erklärung von ihm. Sie sind empört, sie sind extrem bewegt", sagte Reiner Holznagel, Bundesgeschäftsführer beim Bund der Steuerzahler, dem Abendblatt. Sein Verband habe in kürzester Zeit Hunderte E-Mails zu dem Thema erhalten, berichtete er. "Es wäre sehr zu begrüßen, wenn Wulff entsprechend auf den Unmut der Bevölkerung reagiert", so Holznagel. Er forderte den Bundestag auf, die Regelung der Altersvorsorge des Bundespräsidenten insgesamt zu ändern. Der Ehrensold müsse abgesenkt werden. Auch müssten die Kriterien verschärft werden, ab wann und unter welchen Bedingungen ein Bundespräsident den Ehrensold erhalte. Holznagels Argument: "Der Bevölkerung geht es nicht so sehr ums Geld, sondern um Gerechtigkeit und die Abschaffung von Privilegien."

Nach Meinung Holznagels müsste sich der künftige Ehrensold des Bundespräsidenten an der Altersversorgung für Mitglieder der Bundesregierung orientieren. "Nun ist der Bundestag gefragt, hier Reformvorschläge zu erarbeiten, die eine zeitgemäße Bezahlung und Versorgung des Bundespräsidenten garantieren."

Doch im jetzigen Fall sind den für den Etat des Präsidialamts zuständigen Haushaltspolitikern die Hände gebunden. Der Vorsitzende des Gremiums, Herbert Frankenhauser (CSU), sagte, die Abgeordneten hätten einstimmig festgestellt, dass die Entscheidung des Bundespräsidialamts, Wulff den Ehrensold zu gewähren, "nach Recht und Gesetz" erfolgt sei. Eine Aberkennung des Ruhegeldes sei auch dann nicht möglich, sollte das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hannover zu einer Verurteilung Wulffs führen. Nur das Bundesverfassungsgericht könnte Wulff seinen Ehrensold noch streitig machen.

Ob aber die Gründe, die zum Rücktritt führten, nun politischer oder doch privater Natur sind, darüber gehen die Meinungen auseinander. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier forderte eine klarere Definition, wann ein Rücktritt aus politischen Gründen erfolgt. Dass die Entscheidung für die Ehrensold-Zahlung ausgerechnet vom langjährigen Wulff-Vertrauten, Staatssekretär Lothar Hagebölling, gefällt wurde, sorgt für weitere Diskussionen und für Reformrufe. Hagebölling war zu Wulffs Amtszeiten als Ministerpräsident der Chef der Niedersächsischen Staatskanzlei und folgte seinem Chef nach dessen Wahl 2010 nach Berlin. "Jetzt haben Beamte, die kürzlich noch Untergebene und politische Weggenossen von Wulff waren, darüber entschieden. Da stellt sich die Frage ihrer Unbefangenheit", kritisierte der Speyerer Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim. Der FDP-Politiker Erwin Lotter forderte die Staatsanwaltschaft auf, Ermittlungen gegen die Verantwortlichen im Präsidialamt wegen Untreue aufzunehmen. Juristische Schritte würden bereits geprüft, berichtete die "Bild"-Zeitung.

Die 199.000 sind Wulff vorerst nicht zu nehmen. Anders sieht es mit dem Anspruch auf Büro, Personal und Chauffeur aus. Diese Leistungen müsste der Haushaltsausschuss genehmigen. Noch, so hieß es am Freitag, habe Wulff keinen Anspruch darauf erhoben. Aber der für die Linksfraktion zuständige Berichterstatter aus dem Haushaltsausschuss, Dietmar Bartsch, kündigte pro forma an, es werde im Falle eines solchen Antrags genau geprüft, "was gerechtfertigt und verantwortbar ist".