Laut ARD will Christian Wulff trotz zunehmender Kritik Bundespräsident bleiben. Noch heute will er sich öffentlich zu den Vorwürfen äußern.

Hamburg/Berlin. Die Rückendeckung für den Staatsvater schwindet. Der Druck auf den Bundespräsidenten Christian Wulff scheint stündlich zu wachsen. Auch die Spekulationen über einen möglichen Rücktritt werden immer lauter. Nach Informationen der ARD hält Wulff jedoch ungeachtet scharfer öffentlicher Kritik an seinem Amt fest. Nun hat der Bundespräsident angekündigt, sich in einem TV-Interview zu den Vorwürfen äußern zu wollen. Noch heute will Wulff vor die Kameras von ARD und ZDF treten, der genaue Zeitpunkt war zunächst nicht bekannt. Erst am Morgen war Wulff aus seinem Weihnachtsurlaub nach Berlin zurückgekehrt.

Seit Wochen steht der Bundespräsident wegen eines Privatkredits in der Kritik, den er 2008 als niedersächsischer Ministerpräsident von dem befreundeten Unternehmerpaar Egon und Edith Geerkens erhalten hatte. Nach Angaben der "Bild" versuchte der Präsident persönlich, die Veröffentlichung zu verhindern. Dazu soll er unter anderem "Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann persönlich angerufen und eine wütende Botschaft auf dessen Mailbox hinterlassen haben. Wulff schweigt bislang zu dem Vorfall, doch das soll sich noch heute ändern.

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Auch in der schwarz-gelben Koalition wird größtenteils geschwiegen. Spitzenpolitiker von CDU und FDP wagten keine Kommentare über das Staatsoberhaupt. Kein Mitglied der Bundesregierung sprang Wulff gestern zur Seite. Auch die Bundeskanzlerin nicht. Das Schweigen hat in der Politik eine Strategie, in der ständig mitgeteilt, verlautet, flurgefunkt und gesimst wird. Schweigen aber ist Abstrafung, Schweigen lässt der Öffentlichkeit kalkuliert Raum für Spekulationen, Schweigen ist ein Signal - in diesem Fall eines für den geschwundenen Respekt gegenüber Wulff. Merkels letzte Äußerung zu diesem Thema datiert vom 19. Dezember. Sie habe "volles Vertrauen in die Person Christian Wulff". Im Geschäft der Politik sind zwei Wochen eine Ewigkeit.

Wulffs Stuhl wackelt. Vielleicht sind es die Kleinigkeiten, auf die es am Ende ankommt. Die Nebenschauplätze, die eine Entscheidung bringen. Mehrere Online-Wettanbieter haben die Frage nach Wulffs Rücktritt in ihr Angebot aufgenommen. Die Quoten stehen eindeutig auf Rücktritt.

Erste Rücktrittsforderungen werden laut

Der Fraktionschef der FDP im schleswig-holsteinischen Landtag, Wolfgang Kubicki, hält einen Verbleib von Bundespräsident Christian Wulff im Amt für zweifelhaft. "Wenn die Kraft seiner Worte keine Wirkung mehr entfaltet, kann er sein Staatsamt nicht mehr ausüben“, sagte Kubicki der "Passauer Neuen Presse“ (Mittwochausgabe).

"Mit einer wirklich nachvollziehbaren öffentlichen Erklärung für seinen Versuch, Berichterstattung über den Privatkredit zu unterbinden, wird er die Situation vielleicht noch bereinigen können“, sagte Kubicki. Ansonsten müsse Wulff sich die Frage stellen, ob er sein Amt noch ausüben könne. "Herr Wulff hat nicht mehr viel Zeit für eine Stellungnahme zu den neuen Vorwürfen. Wir reden nicht über Wochen, sondern über wenige Tage, die ihm noch bleiben“, sagte Kubicki.

Auch die CDU-Politikerin Vera Lengsfeld hat sich für einen Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff ausgesprochen und Joachim Gauck als Nachfolger vorgeschlagen. "Unser Bundespräsident ist endgültig zur Witzfigur geworden. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung kann ihn nicht mehr ernst nehmen“, sagte Lengsfeld "Handelsblatt Online“. "Jede Stunde, die er sich länger an das Amt klammert, das er nie ausfüllen konnte und das er fast irreversibel geschädigt hat, schadet der demokratischen Kultur.“ Die einstige DDR-Bürgerrechtlerin betonte: "Es braucht keine neue Enthüllung, um sicher zu sein, dass Wulff gehen muss.“ (dpa/dapd/epd/abendblatt.de)