„Ein Schlüsselereignis in der europäischen Nachkriegsgeschichte“. Gesine Schwan sagte: „Auch heute gärt es unter der Oberfläche.“

Berlin. Mit einer Gedenkstunde hat der Bundestag an den Volksaufstand in der DDR vor 57 Jahren erinnert. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) nannte den 17. Juni 1953 ein Schlüsselereignis in der europäischen Nachkriegsgeschichte. Bei der vor allem von Arbeitern getragenen Erhebung gegen die eigene Regierung habe sich erstmals nach der Teilung wieder eine gesamtdeutsche Erfahrung manifestiert.

Nach den Worten der Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan war die blutige Niederschlagung eine „Kapitulationserklärung“ der SED an die eigene Bevölkerung. Die damaligen Forderungen der Aufständischen nach Recht und Freiheit seien aber unverändert aktuell.

„Zurück in eine Diktatur will heute kaum einer. Aber viele plagen heftige Zweifel an der Fähigkeit der politischen Demokratie, die drängenden Probleme zu lösen“, mahnte die frühere SPD-Präsidentschaftskandidatin vor den Abgeordneten. Zwar stehe im vereinigten Deutschland kein neuer 17. Juni bevor. „Doch dass es unter der Oberfläche gärt, kann niemand abstreiten.“

Die Gefahr ohnmächtiger Wut mache sich in der Gesellschaft spürbar breit. Immer mehr Menschen fragten sich etwa, ob es gerecht sei, Milliardenbürgschaften für die Rettung des Bankensystems auszugeben, während kurz danach diese Institute riesige Gewinne verbuchten. Die Distanz zur Demokratie wachse auch durch die zunehmende Schere bei der Vermögensverteilung.

Die frühere Präsidentin der Europa-Universität in Frankfurt/Oder forderte einen neuen Grundkonsens in der Gesellschaft. Die Demokratie müsse zeigen, dass sie besser als die kommunistische Ideologie in der Lage sei, Freiheit und Recht dauerhaft zu sichern.

Der Aufstand vom 17. Juni 1953 gilt als erste Massenerhebung im Machtbereich der damaligen Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg. Von 1954 an war dieses Datum gesetzlicher Feiertag in der alten Bundesrepublik. Seit 1990 ist der 3. Oktober der Tag der Deutschen Einheit. Der 17. Juni ist seitdem ein nationaler Gedenktag.