NRW-Regierungschef Jürgen Rüttgers spricht über mögliche Bündnisse, die eigene Glaubwürdigkeit und seine Erwartungen an die Bundesregierung.

Borken. Bis zur Wahl in Nordrhein-Westfalen sind es noch gut sechs Wochen - und der Ausgang ist offener denn je. Die Umfragen sehen Schwarz-Gelb und Rot-Grün gleichauf mit jeweils 45 Prozent. Beide Lager sind ohne Mehrheit. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hat trotzdem eine Option, die ihm sein Weiterregieren sichern kann: eine Koalition mit den Grünen, die in den Umfragen bei zwölf Prozent stehen. Doch daran will Rüttgers nicht denken. Das Abendblatt traf den Ministerpräsidenten in Borken im Münsterland.

Abendblatt: Herr Ministerpräsident, wie oft haben Sie sich zuletzt Rat geholt bei Ole von Beust in Hamburg und Peter Müller im Saarland?

Jürgen Rüttgers: Ich kenne beide seit Langem und bin mit beiden befreundet. Aber ich musste mir bisher keinen Ratschlag bei ihnen holen und habe auch nicht vor, das zu tun. Ich möchte meine Koalition mit der FDP fortführen.

Interessiert es Sie nicht, wie man als CDU-Regierungschef mit den Grünen zurechtkommt?

Rüttgers: Nein. Ich möchte nicht mit den Grünen koalieren. Ich glaube, dass wir es schaffen werden, die Koalition aus CDU und FDP fortzusetzen. Nicht nur weil wir eine gute Arbeit geleistet haben, sondern weil es nur mit uns stabile Verhältnisse gibt.

In den Fragen der Steuerpolitik hätten Sie es mit den Grünen leichter.

Rüttgers: Warten Sie mal ab. Die FDP hat ja bereits signalisiert, die Steuersenkungen erst im kommenden Jahr anzugehen. Außerdem hat Hans-Dietrich Genscher gesagt, dass die Haushaltskonsolidierung genauso wichtig ist wie Steuersenkungen. Ich wünsche mir, dass wir nach der Steuererschätzung und noch vor der Landtagswahl ein klares Konzept der Bundesregierung zu ihren Steuerplänen haben. Wer am 9. Mai wählen geht, muss wissen, worauf er sich einstellt.

Wünschen Sie sich manchmal, dass die FDP mehr auf Genscher hört und weniger auf Westerwelle?

Rüttgers: Mit der nordrhein-westfälischen FDP arbeite ich eng und vertrauensvoll zusammen. Und in Berlin sehe ich die FDP inzwischen auf einem guten Weg.

Die FDP nervt Sie gar nicht?

Rüttgers: Ich hätte auf vieles, was zuletzt gesagt wurde, gut verzichten können - und zwar nicht nur vonseiten der FDP.

Warum wollen Sie unbedingt Klarheit bei den Steuerfragen vor der Wahl?

Rüttgers: Die Menschen haben ein Recht darauf zu erfahren, wie es weitergehen soll. Die SPD will aus der Wahl in Nordrhein-Westfalen eine Denkzettel-Wahl für Berlin machen. Der SPD geht es nicht um Nordrhein-Westfalen. Wenn die Leute vor der Wahl wissen, was Sache ist, dann können wir hier endlich über Inhalte diskutieren und darüber, wie wir die Zukunft gestalten wollen.

Rüttgers: Ich werde als Ministerpräsident nach der Landtagswahl keiner Steuersenkung zustimmen, die dazu führt, dass die Kommunen Schwimmbäder schließen oder ihre Kindergärten nicht ausbauen können. Wenn man Steuern senken will, muss man auch das Geld dafür haben.

Müsste man nicht längst anfangen mit der Haushaltskonsolidierung?

Rüttgers: Wir sind noch mitten in der Krise. Wenn wir jetzt auf die Bremse treten, verlängern wir die Krise. Im nächsten Jahr müssen wir sparen. Und wir müssen es jetzt sagen, damit sich die Bürger darauf einstellen können.

Womit müssen die Menschen rechnen?

Rüttgers: Ich habe mir das Gleiche vorgenommen wie Finanzminister Wolfgang Schäuble: dass die Einnahmen stärker steigen müssen als die Ausgaben. Das führt zu der gewünschten Konsolidierung. In Nordrhein-Westfalen wollen wir zudem 12.000 Stellen im öffentlichen Dienst abbauen, um weitere Spielräume zu bekommen.

Bundespräsident Horst Köhler hat Steuererhöhungen ins Spiel gebracht.

Rüttgers: Steuererhöhungen würden den Aufschwung gefährden. Deswegen kommt das nicht infrage.

Hat sich der Bundespräsident mit dem Vorschlag ins Abseits geredet?

Rüttgers: Es ist dem Amt des Bundespräsidenten angemessen, dass wir seine Vorschläge nicht öffentlich kommentieren.

Für Ihre schwarz-gelbe Koalition stehen die Chancen für eine Neuauflage derzeit schlecht. Wie wollen Sie das Ruder noch herumreißen?

Rüttgers: Ich bin optimistisch, dass es uns gelingt, die Menschen zu überzeugen. Dafür werden wir von Straße zu Straße, von Marktplatz zu Marktplatz gehen. Diese Wahl wird hoch politisch. Es geht hier nicht nur um einen neuen Landtag. Diese Wahl hat Bedeutung für den Erfolg in Berlin, für das Wohl unseres Landes. Deshalb haben Angela Merkel und ich uns entschieden, diesen Wahlkampf gemeinsam zu führen.

Was kann die Kanzlerin von Ihnen noch lernen?

Rüttgers: Wir lernen ständig voneinander. Wir wollen beide eine moderne CDU. Wir in Nordrhein-Westfalen sind da schon sehr weit, wenn man unsere Bildungs- und Forschungspolitik betrachtet. Angela Merkel macht einen tollen Job.

Gilt Ihr Wahlziel 40 Prozent plus x?

Rüttgers: Wir legen zu in den Umfragen. Von mir aus können es am Ende mehr als 40 Prozent sein.

Wie viele Stimmen kostet Sie Ihre Sponsoring-Affäre?

Rüttgers: Wir haben gesagt, dass das ein großer Fehler war. Damit ist die Sache erledigt.

Sie stellen keinen Vertrauensverlust in die CDU und Ihre Person fest, nachdem Sponsoren Gespräche mit Ihnen kaufen konnten?

Rüttgers: Solche Gespräche hat es nie gegeben. Ich rede ganz offen über das, was passiert ist. Wir haben nichts zu verstecken.

Gehört dann nicht zu der Offenheit, auch zu sagen: "Ich habe Mist gebaut"?

Rüttgers: Ich habe von den Briefen an die Sponsoren nichts gewusst.