Die Opposition hält den Verteidigungsminister “nicht mehr tragbar“, falls er gelogen haben sollte. Die Grünen sprechen von Rücktritt.

Hamburg. Parallelen zwischen dem aus übersichtlichen Verhältnissen stammenden schwarzen US-Präsidenten Barack Obama und dem reichem Altadel entsprossenen deutschen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg drängen sich nicht auf Anhieb auf. Und doch haben sie etwas gemeinsam: Beide wurden angesichts ihrer desaströsen Vorgänger geradezu ins Amt herbeigesehnt und mit verbalen Superlativen dort begrüßt. Inzwischen ist bei beiden der Hochglanz ermattet, hat sich der Chor der Huldigungen merklich abgeschwächt. Beiden ist zudem gemeinsam, dass sie nicht immer ganz souverän bei der Beseitigung politischer Altlasten handelten. Quer durch die Republik wird Richtung Guttenberg bereits von einem "Obama-Effekt" geflüstert. Und gegen beide feuert die jeweilige Opposition aus allen Rohren. Ein Sturz wird aber wohl in beiden Fällen so rasch nicht gelingen.

Zwar meint der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, Guttenberg wäre "nicht mehr tragbar", falls er gelogen haben sollte. Zwar spricht auch der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, von Rücktritt. Auch die Linke schießt sich verbal auf ihn ein. Doch um einen Rücktritt zu erzwingen, geben Guttenbergs mögliche Versäumnisse und Ungeschicklichkeiten bislang keine Rechtfertigung her.

Karl-Theodor zu Guttenberg hat weder das fatale Kundus-Bombardement zu verantworten, noch die byzantinischen Verhältnisse an der Spitze seines Ministeriums - wo Staatssekretär und Generalinspekteur sich in dem von einem schwachen Ressortchef geschaffenen Machtvakuum breitmachten, wo offenbar Intrigen zum Nachteil der ungeschminkten Wahrheit gesponnen wurden.

Guttenberg hat ein Amt, einen Skandal und einen Krieg geerbt und muss damit fertig werden. Nach den belastenden Aussagen seiner beiden wegen mangelnder Information gefeuerten ehemaligen Spitzenkräfte Wolfgang Schneiderhan (Generalinspekteur) und Peter Wichert (Staatssekretär), sie hätten ihren Dienstherrn stets umfassend informiert, steht der Minister allerdings in einem trüben Licht da. Schenkt man den Beteuerungen der beiden Herren Glauben, dann war ihre Entlassung voreilig und ungerechtfertigt. Doch wenn es tatsächlich zutrifft, dass Staatssekretär Wichert im Ministerium eine Art Desinformationsabteilung ins Leben gerufen hatte, um Ausmaß und Umstände des verheerenden Luftangriffs von Kundus mit bis zu 142 Todesopfern zu verschleiern, dann würde allein dies seine Entlassung vollauf rechtfertigen.

Mag sein, dass Karl-Theodor zu Guttenberg bei seinen völlig unterschiedlichen Einschätzungen des Angriffs wenig geschickt vorging, dass er - der politische Einzelkämpfer - besser die Mahnung Schneiderhans nach umsichtiger Beurteilung berücksichtigt hätte. Und wenn es zutrifft, dass der Minister den Brigadegeneral Henning Hars nur deshalb entlassen hat, weil dieser in einem Brief um Aufklärung über Guttenbergs Entscheidungen gebeten hat, dann wäre dies nicht nur ein Zeichen von bedenklicher Dünnhäutigkeit bei dem CSU-Politiker, sondern auch von einer Unsouveränität, die man dem als ebenso nahbar wie selbstbewusst bekannten Guttenberg nicht zutrauen möchte.

Für den Freiherrn war all dies gewiss ein Fehlstart in sein neues, schwieriges Amt, das mit einiger Berechtigung entweder als Schleudersitz oder aber als Feuertaufe für höhere politische Weihen gilt. Er hat nun ein grundlegendes Problem: Er hat zwei verdiente Generale und einen erfahrenen Staatssekretär entlassen und mit seiner abschließenden Einschätzung, der Bombenangriff von Kundus sei nicht angemessen gewesen, auch den Oberst Georg Klein, ehemals Befehlshaber in Kundus auch dieses Angriffs, gleich in die Pfanne gehauen.

Dies alles wird von der Truppe zähneknirschend verfolgt. Vor allem von jenen Soldaten, die in Kundus oder Masar-i-Scharif täglich ihre Haut zu Markte tragen. Nicht wenige haben den Eindruck, dass Guttenberg seine schwankende Position per Bauernopfer stabilisieren wollte. Oberst Klein, der den Angriff in der Absicht befahl, eine drohende Terrorattacke der Taliban auf seine Männer und Frauen zu verhindern, genießt bei den Soldaten hohe Sympathie.

Der christsoziale Ressortchef muss sehr schnell den "Obama-Effekt" abschütteln, Ordnung in sein Haus bringen und sich dann den echten Problemen seines Amtes zuwenden. Eine unterfinanzierte, überforderte und mit Ausrüstungsmängeln kämpfende Truppe, deren wehrpflichtiger Nachwuchs künftig viel zu kurz ausgebildet werden wird, um militärisch von großem Nutzen zu sein, kann keinen Verteidigungsminister an ihrer Spitze gebrauchen, der sich vorwiegend mit Selbstverteidigung beschäftigt.