Minister soll vorschnell geurteilt haben. Ex-Inspekteur bestätigt Existenz einer geheimen “Gruppe 85“. Sollte sie die Folgen des Luftangriffs vertuschen?

Hamburg/Berlin. Klarheit wurde nicht geschaffen, dafür haben sich die Fronten in der Kundus-Affäre weiter verhärtet. In seiner mit Spannung erwarteten Aussage im Bundestags-Untersuchungsausschuss zum verheerenden Luftangriff auf zwei Tanklaster am afghanischen Kundus-Fluss am 4. September 2009 wies der frühere Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan Vorwürfe von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zurück, er habe den Minister nicht ausreichend informiert.

Guttenberg hatte den Luftangriff, dem bis zu 142 Menschen zum Opfer fielen, zunächst als "militärisch angemessen", später als "nicht angemessen" beurteilt. Der Minister hatte Schneiderhan und Verteidigungs-Staatssekretär Peter Wichert am 26. November wegen vorenthaltener bzw. unterschlagener Informationen entlassen. Schneiderhan sagte, er habe Guttenberg stets "so beraten, dass er entscheidungsfähig war". Zudem habe er Guttenberg vor dessen erster Erklärung zum Luftangriff ausdrücklich vor einem "vorschnellen Urteil" gewarnt.

Dies wird durch einen Brief Schneiderhans an Guttenberg gedeckt. Darin riet Schneiderhan dem Minister zu "Zurückhaltung und Vorsicht". Der Ex-Generalinspekteur sagte, er habe Guttenberg auf die unklare Situation nach dem vom deutschen Oberst Georg Klein angeforderten Luftangriff hingewiesen. Er ließ durchblicken, dass Guttenberg sein erstes Urteil ohne Beratung mit dem höchsten Soldaten getroffen habe.

Auch Ex-Staatssekretär Wichert wehrte sich am späten Abend gegen "Rufschädigung" durch den Minister. Er habe den Minister immer korrekt informiert. Seine Entlassung sei unangemessen gewesen.

Noch brisanter wird die Lage durch einen Bericht von "Spiegel Online". Darin heißt es, Wichert habe im Ministerium fünf Tage nach dem Luftangriff eine "Gruppe 85" aus mindestens fünf Beamten geschaffen, deren Aufgabe es war, die Wahrheit über den Luftangriff zu vernebeln. Schneiderhan sagte, er habe von der Gruppe gewusst, sei aber nicht eingebunden gewesen. Wichert sagte, es sei darum gegangen, dass nicht "eine einseitige Untersuchung der Nato in die Welt gesetzt wird". Man habe aber nicht "geschoben oder vertuscht".