Die Linkspartei nimmt Kurs auf eine Rot-Rot-Grüne Koalition - erst in NRW, dann auch auf Bundesebene. Doch die Grünen sträuben sich.

Berlin. Zwischen Grünen und Linken ist eine scharfe Kontroverse über den Umgang mit der DDR-Diktatur entbrannt. Grünen-Chefin Claudia Roth kritisierte die designierte Vorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, für den Appell, frühere Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit in Parlamenten und Ministerämtern zu dulden. "Wenn Gesine Lötzsch ehemalige Stasi-Mitarbeiter zu Ministern machen will, zeigt das, wie groß der Nachholbedarf bei der Linkspartei noch ist, sich kritisch und transparent mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen", sagte Roth dem Abendblatt. "Da sind die Äußerungen der designierten Parteivorsitzenden wenig vertrauenerweckend, die nach der Methode klingen, diese Vergangenheit unter den Tisch kehren zu wollen."

Lötzsch, die einst SED-Mitglied war und im Mai zur Nachfolgerin von Oskar Lafontaine an der Spitze der Linkspartei gewählt werden soll, hatte an die brandenburgische Linksfraktionsvorsitzende Kerstin Kaiser erinnert. Diese sei dreimal direkt in den Landtag gewählt worden, obwohl die Bürger ihre Stasi-Vergangenheit gekannt hätten. "Da hat man das Votum der Bürger zu respektieren", sagte Lötzsch im Abendblatt-Interview. "Wir leben in einer Demokratie. Wer gewählt wird, ist gewählt." Lötzsch räumte ein, dass in der DDR "viel Unrecht geschehen" sei. Doch lehnte sie es ab, von einem Unrechtsstaat zu sprechen. Dies sei ein politischer Kampfbegriff. Die künftige Parteichefin machte deutlich, dass sie nach den Landtagswahlen am 9. Mai in Nordrhein-Westfalen und auch nach der Bundestagswahl 2013 ein rot-rot-grünes Bündnis anstrebt.

Roth indes knüpfte die Bündnisfähigkeit der Linkspartei an den Umgang mit der Vergangenheit. "Für eine zukunftsfähige Neuausrichtung der Linkspartei wäre eine glaubwürdige Aufarbeitung ihrer DDR-Geschichte aber eine zentrale Voraussetzung", sagte die Grünen-Chefin. "Insgesamt steht die Linkspartei jetzt vor der Richtungsentscheidung, ob sie polternde Fundamentalopposition bleiben oder in die Lage kommen will, verantwortungsvoll und realitätstauglich Politik mitzugestalten."

Kritik an den Äußerungen von Lötzsch kam auch vom Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe. "Wer dafür eintritt, dass ehemalige Stasi-Mitarbeiter in Deutschland Minister werden können, zeigt, dass er die grundlegenden Werte der Demokratie nicht verstanden hat." So viel Laxheit im Umgang mit der SED-Diktatur finde man nicht einmal bei der Linken in Brandenburg. Nach der Landtagswahl im September wurde die Stasi-Verstrickung mehrerer Abgeordneter der Linkspartei bekannt. Spitzenkandidatin Kaiser, die informelle Mitarbeiterin der Stasi gewesen war, verzichtete auf einen Ministerposten in der rot-roten Koalition von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD).