Ist der Führungsstil von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu zurückhaltend? Die Union ist sich nicht einig über die Qualitäten ihrer Frontfrau.

Berlin. „Führungsschwäche“ und „Profillosigkeit“ hatten einige CDU-Politiker Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorgeworfen. Im koalitionsinternen Streit um weitere Steuersenkungen und Erika Steinbachs Nominierung für den Rat der Vertriebenenstiftung habe sie sich zu sehr zurückgehalten. Andere nahmen Merkel jetzt jedoch erneut in Schutz. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) räumte zwar ein, dass die CDU ihr konservatives Profil schärfen müsse, verteidigte aber Merkels Führungsstil. Es sei „richtig, dass in der großen Koalition bei vielen unserer Parteifreunde der Eindruck entstanden ist, dass das Christlich-Konservative nicht so stark profiliert war“, sagte Kauder. Merkel habe es aber geschafft, „dass wir raus aus der großen Koalition gekommen sind in diese kleine Koalition und weiter regieren können“.

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer wies die Kritik an den Führungsqualitäten Merkels ebenfalls zurück. „Ich habe kein Verständnis für diese ständigen Zwischenrufe aus der zweiten und dritten Reihe“, sagte der bayerische Ministerpräsident am Montagabend in der ARD-Talksendung „Beckmann“. Wer Merkel unterschätze, habe schon verloren. „Sie führt stark, und zwar früher die große Koalition wie jetzt die schwarz-gelbe Koalition.“

Hessens Ministerpräsident Roland Koch forderte, den Streit zu beenden. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Vielstimmigkeit innerhalb der CDU abnimmt“, sagte der CDU-Vize dem Hamburger Abendblatt. „Eine Partei kann es auf Dauer nicht ertragen, dass man jedes Thema endlos diskutiert.“

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) verteidigte Merkel ebenfalls. Er teilte über seine Staatskanzlei in Magdeburg auf dpa-Anfrage mit, er teile die Kritik nicht. „Es wäre besser, wenn mehr miteinander als übereinander gesprochen würde.“ Der sächsische CDU-Fraktionschef Steffen Flath hat seine öffentliche Kritik an Merkel hingegen erneut gerechtfertigt. Gemeinsam mit den CDU-Fraktionsvorsitzenden aus Hessen und Thüringen, Christean Wagner und Mike Mohring, sowie der brandenburgischen CDU-Fraktionsvizechefin Saskia Ludwig hatte Flath Merkel am Wochenende in einem Zeitungsartikel einen „präsidialen Stil“ vorgeworfen, der zur Schwächung des Parteiprofils geführt habe. „Ich glaube, wir haben vielen aus dem Herzen gesprochen“, verteidigte sich Flath auf „Spiegel Online“. Er habe „viele positive Reaktionen“ auf den Beitrag erhalten.

Saskia Ludwig, Mitautorin des Beitrags, legte ebenfalls mit ihrer Kritik nach. „Die Kanzlerin muss aber als Chefin einer großen Volkspartei die Balance zwischen konservativen Kernthemen und Multi-kulti- Wohlfühlthemen halten. Diese Ausgewogenheit ist im Moment nicht erkennbar“, sagte Ludwig den „Potsdamer Neuesten Nachrichten“.

Der Merkel-Biograf Gerd Langguth teilt die Auffassung, dass die CDU-Chefin „die konservative Parteibasis vernachlässigt“ hat. De Politologe gab im „Kölner Stadt-Anzeiger“ aber zu bedenken: „Würde die CDU einen fundamental konservativen Kurs steuern, dann würde sie sich der Chance berauben, weiter Volkspartei zu sein. Mehrheitsfähig kann sie nur sein, wenn sie sich genügend um die Wechselwähler kümmert.“ Der Unmut wegen eines angeblich zu präsidialen Stils sei auch deshalb unberechtigt, weil auch frühere Kanzler „keine starken inhaltlichen Vorgaben gemacht“ hätten.