Schrittweise werden die Familien und die mittleren Einkommen entlastet. Der große Wurf soll erst 2010 kommen.

Hamburg/Berlin. Die Steuerreform von Schwarz-Gelb wird zur Stotterreform. Erst nach den Landtagswahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen am 9. Mai 2010 soll eine neue Kommission den großen Wurf vorbereiten. Das berichtet der "Spiegel". Dabei kann auf die Zahlen der großen Mai-Steuerschätzung zurückgegriffen werden, die dann zeigen, wie groß der Spielraum für Entlastungen der Bürger und Unternehmen ist.

Nach der November-Schätzung vom vergangenen Donnerstag ist die Unsicherheit über die Spielräume für Steuersenkungen noch größer.

Dennoch gibt es heute eine Sondersitzung des Kabinetts. Bevor sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Minister in zehn Tagen nach Schloss Meseberg zurückziehen, geht es um erste Signale: Die Entlastungen für Familien, Durchschnittsverdiener und Erben stehen auf der Tagesordnung - das "Wachstumsbeschleunigungs-Gesetz". Ein höheres Kindergeld (plus 20 Euro) und höhere Freibeträge für Kinder (7008 Euro) sollen beschlossen werden.

Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sagte der "Welt am Sonntag": "Ziel ist es, zum Beispiel bei der Einkommenssteuer nachzubessern." Die CSU wolle vor allem Steuersätze für untere und mittlere Einkommen senken.

Erbrechtsexperten fordern von der neuen Bundesregierung eine dringende Korrektur der Reform, die die Große Koalition auf den Weg gebracht hat. Der Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht, Prof. Klaus Michael Groll, sagte dem Abendblatt: "Geschwister, Neffen und Nichten gehören zur engsten Familie, deshalb sind die Freibeträge zu niedrig, die Steuersätze zu hoch. Die Freibeträge müssten mindestens auf Enkelebene angehoben werden (200 000 Euro), der Eingangssteuersatz dürfte höchstens bei zehn Prozent liegen, der Höchststeuersatz bei 30 Prozent."

Wer Vaters Backstube oder Mutters Firma weiterführen wolle, stoße auf hohe Hürden. Groll hält einige der neuen Regelungen für Unternehmenserben für "vollkommen misslungen" und beklagt eine "unzumutbare Bürokratie". Dieser bürokratische Aufwand sei "weder vom Unternehmer noch von der Finanzverwaltung zu bewältigen".

Dabei gerät die Bundesregierung erneut mit den Ländern aneinander. Denn sie erhalten die Erbschaftssteuer. Wird weniger Erbschaftssteuer gezahlt, fehlt den Ländern Geld in der Kasse. Entlastung hier heißt Haushaltsloch dort.

Deshalb liebäugelt so manches Bundesland mit einer "Regionalisierung" der Steuer. Heißt: Wer in Bayern ein Haus für 500 000 Euro erbt, zahlt beispielsweise weniger an den Fiskus als ein Hamburger Erbe. Das sieht Experte Groll kritisch, weil es zu Willkür führe, wie er dem Abendblatt sagte.

Vom kommenden Jahr an wird ganz sicher eine Steuerreform greifen, die in das Gesamtpaket bereits eingepreist ist: Jeder Bürger kann seine Krankenkassenbeiträge besser absetzen und damit die Steuerlast deutlich mildern. Erreicht wurde das allerdings nicht auf politischem Weg, sondern durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Den Staat kostet das etwa neun Milliarden Euro. Je nach Einkommen und Art der Versicherung lassen sich bis zu mehreren Hundert Euro sparen.

Ein Funke Steuer-Resignation hat schon die Unternehmer erreicht: Sollte die Wirtschaft in den nächsten Jahren wieder in Schwung kommen, müsse zunächst die Staatsverschuldung gesenkt werden, sagte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt im Deutschlandfunk. "Das heißt, in größerem Umfang Steuerentlastungen, so schön die für alle Beteiligten sind, werden in absehbarer Zeit nur sehr eingeschränkt möglich sein."