Nach Ansicht afghanischer Ermittler war der Angriff auf die Tankwagen legitim. Die Untersuchung wird voraussichtlich mehrere Wochen dauern.

Hamburg/Kabul. Vier Tage nach dem von einem Bundeswehroberst angeforderten Luftangriff bei Kundus hat die Nato gestern das Ergebnis einer ersten Untersuchung des Vorfalles bekannt gegeben. Danach sind bei dem Angriff von zwei F-15-Kampfflugzeugen der US-Luftwaffe auf zwei von den Taliban gekaperten Tanklastzügen auch Zivilisten ums Leben gekommen. Die genaue Zahl der Todesopfer soll im Zuge einer gründlichen Untersuchung ermittelt werden. Der Oberbefehlshaber der Truppen der USA und der Nato in Afghanistan, US-General Stanley McChrystal, beauftragte Offiziere aus Deutschland, Kanada und den USA damit. Die Leitung hat der kanadische Generalmajor C.S. Sullivan.

Auch der afghanische Präsident Hamid Karsai hat ein Ermittlungsteam in Marsch gesetzt. Beide Gruppen sollen sich abstimmen. Wie die Afghanistan-Schutztruppe Isaf erklärte, wird die Untersuchung voraussichtlich mehrere Wochen dauern. Erschwert wird sie durch den Umstand, dass die meisten Leichen offenbar schon vor Eintreffen von Nato-Offizieren am Ort des Geschehens beigesetzt worden waren. Vor allem aber wurden die Waffen der Toten rasch eingesammelt - dies macht es fast unmöglich festzustellen, wer Taliban-Kämpfer und wer Zivilist war.

Nach Ansicht afghanischer Ermittler war der Angriff auf die Tankwagen legitim. Dabei seien 45 bewaffnete Taliban getötet worden, außerdem seien dort verbrannte Waffen und Munition gefunden worden, sagte der afghanische Generalleutnant Mirsa Mohammad "Yarmand" gestern in Kundus. "Das ist der Beweis, dass dieses Ziel kein ziviles, sondern ein militärisches Ziel war", sagte der Ermittler weiter, der seinen Bericht heute Präsident Hamid Karsai übergeben will. Für die Kaperung der Tankwagen sei der örtliche Taliban-Kommandeur Mullah Abdur Rahman verantwortlich. Rahman habe befohlen, die Fahrzeuge zu entführen und die Fahrer zu töten. Als die Wagen am Ufer des Kundus-Flusses stecken geblieben seien, habe der Taliban-Führer per Mobiltelefon Sympathisanten aus den umliegenden Dörfern angefordert. Mehr als 45 Bewaffnete und andere Personen seien erschienen. Rahman trage die Schuld an dem Desaster, sagte General Yarmand.

Als erste Rache für die Bombardierung rammte ein Selbstmordattentäter mit seinem Sprengstoff-Fahrzeug einen Nato-Konvoi am Tor des Nato-Flugplatzes in Kabul. Drei Zivilisten starben, sieben weitere Menschen wurden verletzt. Bei heftigen Kämpfen mit Taliban in der ostafghanischen Provinz Kunar starben gestern vier US-Soldaten, zehn afghanische Soldaten und ein afghanischer Grenzpolizist.

Indessen steuert Afghanistans Präsident Karsai inmitten von Vorwürfen über einen massiven Wahlbetrug auf einen Sieg bei der Präsidentenwahl vom 20. August zu. Nach Auszählung von 91,6 Prozent der Wahllokale liegt Karsai angeblich mit 54,1 Prozent deutlich vor seinem Hauptrivalen, dem früheren Außenminister Abdullah Abdullah, der demnach nur auf 28,3 Prozent kommt. Dies würde bedeuten, dass Karsai nicht in die Stichwahl gegen Abdullah muss. Zuvor hatte die Wahlkommission erklärt, wegen Unregelmäßigkeiten würden die Ergebnisse aus 600 der 6192 Wahllokale nicht gezählt. Die unabhängige Kommission für Wahlbeschwerden (ECC) sprach erstmals offen von eindeutigen Belegen für einen Wahlbetrug.