Fast 100 Menschen sind bei dem von der Bundeswehr befohlenen Luftangriff in Afghanistan ums Leben gekommen, darunter 30 Zivilisten.

Kabul. 30 Zivilisten sind bei dem von der Bundeswehr angeordneten Luftangruff in Afghanistan vor gut einer Woche ums Leben gekommen. Das teilte die Kommission am Sonntag mit, die von Afghanistans Präsidenten Hamid Karsai zur Untersuchung der Vorgänge eingesetzt worden war. Weitere neun Zivilpersonen wurden bei dem Bombardement verletzt. Die Zahl der Opfer unter den Taliban-Kämpfern sei dagegen ungleich größer, fügte der Kommissionssprecher Mohammadullah Baktasch hinzu. Insgesamt 69 Taliban-Kämpfer seien gestorben, elf weitere verwundet.

Baktasch stellte sich zugleich vor die in die Kritik geratene Bundeswehr. „Definitiv sind die Verantwortlichen die Taliban.“ In einer vergleichbaren Lage hätten „nicht nur die deutschen Truppen, sondern alle Regierungs- und internationalen Truppen so gehandelt“, betonte das Kommissionsmitglied. „Wenn diese Tanklastzüge in den Händen des Feindes geblieben wären, hätten er sie für terroristische Absichten genutzt.“ Das Benzin hätte gegen afghanische und internationale Truppen eingesetzt werden können. Die Taliban hätten nicht nur die Tanklastzüge in ihre Gewalt gebracht, sondern auch Unschuldige in dieses „Verbrechen“ verwickelt.

Die Gegend, in der es zu dem Luftangriff gekommen sei, sei kein Wohngebiet gewesen, so Baktasch weiter. Die nächsten Häuser seien mindestens drei Kilometer entfernt gewesen. Aus der Luft sei nicht festzustellen gewesen, ob Zivilisten an den Tanklastzügen gewesen seien. Nachdem die meisten Opfer unter den Taliban seien, „war es für den Terrorismus und El Kaida in Kundus ein schwerer Schlag“. Die Kommission übergab ihren Bericht am Sonntag an Karsais Büro. Das geplante Treffen der Untersuchungskommission mit dem Präsidenten hatte bis zum Abend nicht stattgefunden.

Auch der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, verteidigte die Bombardierung vor neun Tagen. Der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) sagte er, er gehe davon aus, dass die Entscheidung, die entführten Tanklaster aus der Luft zerstören zu lassen, „erst nach sorgfältiger Beurteilung der Gesamtlage und in der Absicht getroffen wurde, erheblichen Gefahren für die eigenen und verbündeten sowie für die afghanischen Sicherheitskräfte zuvorzukommen“.

Bereits im Frühjahr habe er sich mit dem Kommandeur des zivil- militärischen Wiederaufbauteams in Kundus, Oberst Georg Klein, ausführlich über die Gefahren des Einsatzes unterhalten. „Die Professionalität, mit der unsere Soldaten und Soldatinnen gerade unter ständiger Bedrohung und in ungewisser Lage handeln, hat mich beeindruckt.“ Der ranghöchste deutsche Soldat äußerte sich erstmals zu dem Vorfall.

Auch Klein, der den Luftschlag angeordnet hatte, verteidigte sein Vorgehen. „In den mehr als fünf Monaten habe ich eine große Verantwortung getragen, die mir mehrfach schwierige Entscheidungen abgefordert hat“, sagte Klein der „Bild am Sonntag“. „Ich habe mir jede einzelne dieser Entscheidungen – auch bei angeforderten Luftunterstützungen – niemals leichtgemacht, um diese auch im Nachhinein vor meinen Soldatinnen und Soldaten, den afghanischen Menschen und meinem Gewissen verantworten zu können.“