WAhlkampfthema Bundeswehr in Afghanistan: Außenminister Frank-Walter Steinmeier legt nun einen Plan zum Abzug vor.

Berlin. Wenige Stunden vor dem wichtigen Wahlduel zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat der Minister einen eigenen Afghanistanplan vorgelegt. Ziel sei es, bereits in der kommenden Legislaturperiode die Grundlagen für das Ende des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan zu schaffen, heißt es in einem Bericht des Magazins „Der Spiegel“ . Das Papier, das zwei Seiten umfasst und den Titel „Zehn Schritte für Afghanistan“ trägt, formuliert des Bundesaußenminister Bedingungen für ein Ende des deutschen Engagements.

Zudem verlange der Plan verlange für die künftige Aufbauhilfe „konkrete, verbindliche Ziele und zugleich wirksame Vorkehrungen, um ihre Umsetzung zu überwachen“, schreibt das Magazin weiter. Bei der Afghanistan-Konferenz, die nach dem Willen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) noch in diesem Jahr stattfinden solle, dürfe man sich „nicht mit vagen Zielmarken begnügen“. Dem Papier zufolge soll bis zum Jahr 2001 in allen 122 Distrikten des von Deutschland kontrollierten Nordens „eine angemessen ausgebildete Polizei“ existieren. Im Unruheherd Kundus sollen sofort 1500 zusätzliche Polizisten ausgebildet werden.

Ferner schlägt Steinmeier vor, die Zahl der deutschen Ausbilder für die Armee „erheblich" zu steigern. Bislang sind 200 Ausbilder vor Ort. Auch die erste Stufe eines möglichen Abzugs wird laut „Spiegel“ in dem Papier genannt. Der Standort Feisabad, wo derzeit knapp 500 Bundeswehrsoldaten Dienst tun, soll bis 2011 faktisch aufgelöst und in ein „Ausbildungszentrum für Sicherheitskräfte und Zivilverwaltung umgewandelt werden“. Zudem müsse Deutschland „Mitläufern der Taliban eine Rückkehr in die afghanische Gesellschaft ermöglichen“ und dazu einen internationalen „Reintegrationsfonds nach Kräften unterstützen und finanziell fördern“, heiße es in dem Papier.

Bundesvertedigungsminister Franz Josef Jung (CDU) geht unterdessen davon aus, dass der internationale Militäreinsatz in Afghanistan noch mindestens fünf Jahre dauern wird. Der Minister lehnte es am Sonntag allerdings ab, einen festen Zeitpunkt für einen Abzug der Bundeswehr zu nennen. „Wir müssen uns ein klares Ziel setzen, das wir in einer vernünftigen Zeit erreichen können“, sagte er in Rüsselsheim. „Wir brauchen ausgebildete Soldaten und ausgebildete Polizisten, die dafür sorgen können, dass Afghanistan nicht wieder in die Hände der Taliban gerät oder Ausbildungszentrum für den internationalen Terrorismus wird.“

Als Ziel werde immer die Ausbildung von 134.000 afghanischen Soldaten und ebenso vielen Polizisten genannt. Das sollte international auf einer Afghanistan-Konferenz festgeschrieben werden, wie sie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorgeschlagen habe, sagte Jung. Derzeit seien 90.000 Soldaten ausgebildet. „Ich hoffe, dass wir in den kommenden fünf Jahren einen entscheidenden Schritt vorankommen werden, um dieses Ziel erreichen zu können.“

Unterdessen verteidigte der deutsche Oberst Georg Klein erstmals öffentlich seine Entscheidung, zwei von Taliban entführte Tanklastzüge in Afghanistan aus der Luft anzugreifen. Er halte die gegen ihn eingeleiteten Untersuchungen allerdings für angemessen, sagte der Offizier der „Bild am Sonntag“. Unterstützung bekam Klein von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan, dem ranghöchsten Bundeswehroffizier. General Schneiderhan äußerte sich erstmals zu der Bombardierung in der Nacht zum 4. September bei Kunduz. Er gehe davon aus, dass Klein „erst nach sorgfältiger Beurteilung der Gesamtlage“ entschieden habe, den Angriff anzufordern, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ . Die Absicht sei gewesen, „erheblichen Gefahren für die eigenen und verbündeten sowie für die afghanischen Sicherheitskräfte zuvorzukommen.“

Bereits im Frühjahr habe er sich mit Oberst Georg Klein ausführlich über die Gefahren des Einsatzes unterhalten, sagte Schneiderhan und fügte hinzu: „Die Professionalität, mit der unsere Soldaten und Soldatinnen gerade unter ständiger Bedrohung und in ungewisser Lage handeln, hat mich beeindruckt.“ Bei der Bombardierung der zwei Tanklaster waren mehr als 50 Menschen getötet worden, darunter auch Zivilisten. Oberst Klein sagte zu den Konsequenzen des Einsatzes für ihn persönlich, er halte es „für unbedingt notwendig und richtig, dass solche Untersuchungen durchgeführt werden, wenn Menschen ums Leben gekommen sind“. Er machte zugleich deutlich, dass er sein Verhalten in der Nacht zum 4. September vor seinem Gewissen und der afghanischen Bevölkerung verantworten könne.

„In den mehr als fünf Monaten habe ich eine große Verantwortung getragen, die mir mehrfach schwierige Entscheidungen abgefordert hat. Ich habe mir jede einzelne dieser Entscheidungen – auch bei angeforderten Luftunterstützungen – niemals leichtgemacht, um diese auch im Nachhinein vor meinen Soldatinnen und Soldaten, den afghanischen Menschen und meinem Gewissen verantworten zu können“, sagte Klein: „Jeder gefallene Isaf-Soldat und jeder getötete Zivilist ist einer zu viel.“

Bundesverteidigungsminister Jung wies die Kritik zurück, die nach dem Vorfall an dem Offizier, aber auch an ihm selbst geübt worden war. „Es hat kein einziger ausländischer Verteidigungsminister Kritik geübt“, sagte er. In Deutschland seien die Soldaten „durch einige vorschnelle Urteile ins Unrecht gestellt“ worden. „Dann ist es die Pflicht des Verteidigungsministers, sich eindeutig vor sie zu stellen.“ Der Angriff bei Kundus sei ein schwieriger Moment für ihn als Bundesverteidigungsminister gewesen. „Aber es gilt, in diesem Amt auch die fordernden Zeiten zu bestehen.“

Der Distrikt-Chef der Region Chardara, in der das Bombardement stattfand, Abdul Wahid Omarkhel, sagte der „Bild am Sonntag“: „Der Luftangriff war eine erfolgreiche Operation, weil Aufständische getötet wurden, die eine Gefahr darstellten. Die internationale Empörung darüber ist vollkommen unverständlich. Dass manche in Deutschland bereits einen Abzug der deutschen Truppen fordern, erfüllt uns mit Sorge, denn die Region Kunduz braucht den Einsatz der Deutschen, auch für die wichtige Aufbauarbeit.“

Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) äußerte die Befürchtung, dass der umstrittene Nato-Luftangriff erhebliche Folgen für den weiteren Wiederaufbau haben werde. Die Arbeit der Entwicklungshelfer werde jetzt „noch schwieriger“, sagte sie dem „Spiegel“. Deutschland habe auf einen Strategiewechsel der US-Regierung und der Nato zugunsten der Vermeidung von zivilen Opfern gedrängt, um die Herzen und Köpfe der Afghanen zu gewinnen. Doch nun drohe der Luftangriff „diesen Strategiewechsel im Bewusstsein der Menschen zu konterkarieren“. Die Ministerin drängte darauf, dass die Afghanen möglichst bis 2015 „die volle Verantwortung für die Sicherheit der Bevölkerung übernehmen“ sollten. Erst dann könnten Truppen abziehen. Der zivile Aufbau werde länger dauern.

Der Afghanistan-Experte der Grünen-Bundestagsfraktion, Winfried Nachtwei, äußerte Verständnis für Oberst Klein. Zwar sei das Bombardement „ein eindeutiger Kriegsakt“ gewesen und die Wirkung fast „durchweg kontraproduktiv", sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ . Er könne sich den Angriff aber „am ehesten erklären durch die Entwicklung der Gesamtlage in den letzten Monaten – jeden Tag Hinterhalte, jeden Tag Gefechte. Aus der Sicht kann so was plausibel werden.“