Hat der Bundeswehroberst Georg Klein mit seinem Befehl zur Bombardierung von zwei Tanklastzügen doch gegen Richtlinien der Nato verstoßen?

Brüssel/Berlin. Nach Darstellung von Offizieren der Nato hat ein Oberst der Bundeswehr mit seinem Befehl zur Bombardierung zweier Tanklastzüge in Afghanistan gegen Befehle und Dienstanweisungen verstoßen. Wie hochrangige Offiziere des Militärbündnisses am Donnerstagabend in Brüssel sagten, gehe das aus einem bislang geheimen Untersuchungsbericht hervor. Bundeswehr-Oberst Georg Klein hätte vor allem nicht selbst eine Bombardierung der Tanklastzüge durch US-Kampfjets anordnen dürfen.

Die Entscheidung zur Bombardierung hätte nur der Kommandeur der Afghanistan-Schutztruppe ISAF, US-General Stanley McChrystal, treffen dürfen. Klein hätte ohne Rücksprache mit McChrystal Waffengewalt lediglich bei einer direkten Gefährdung seiner Soldaten einsetzen dürfen:„Er war in diesem Fall nicht für den Befehl zuständig.“ Bei der Bombardierung der von radikalislamischen Taliban gekaperten Tanklastzüge wurden nach deutschen Angaben am 4. September zwischen 17 und 142 Menschen verletzt oder getötet. Die afghanische Regierung hatte festgestellt, 69 Taliban und 30 Zivilisten seien ums Leben gekommen.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen an diesem Freitag in Berlin über den Untersuchungsbericht informieren. Er wird sich auch erstmals öffentlich zu dem Luftangriff äußern. Das Verteidigungsministerium dementierte am Donnerstagabend einen Zeitungsbericht, wonach sich Guttenberg dabei von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan distanzieren werde. Der Vier-Sterne-General hatte in der vorigen Woche erklärt, er sehe die Bundeswehr durch den NATO-Bericht entlastet und habe keinen Grund daran zu zweifeln, dass Oberst Georg Klein militärisch angemessen gehandelt habe. Die Opposition hält diese Bewertung nach Einsicht in den Bericht für unzulässig.

In dem Bericht heißt es auch, der deutsche Oberst habe die Frage eines US-Kampfpiloten, ob er durch einen Tiefflug die Menschen aus der Nähe der in einem Flussbett feststeckenden Tankwagen vertreiben solle, verneint. Auch Alternativen zur Bombardierung – beispielsweise der spätere Einsatz von Spezialkräften – seien nicht hinreichend geprüft worden. Nach der Bombardierung sei zu viel Zeit verstrichen, bis die ersten ISAF-Soldaten am Ort des Geschehens eingetroffen seien. Deswegen sei es nicht mehr möglich gewesen, die Zahl der Opfer verlässlich festzustellen. Die von McChrystal beauftragten Untersucher seien – so NATO-Militärs – zu dem Ergebnis gekommen, „dass der Vorfall nicht hätte passieren können, wenn alle Befehle und Vorschriften eingehalten worden wären“.

Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Dresden wird am Freitag die Entscheidung fallen, ob ein Ermittlungsverfahren gegen Klein wegen des „Anfangsverdachts einer Straftat“ eingeleitet wird. Der Sprecher der Behörde, Wolfgang Klein, sagte dem Radiosender NDR Info, der NATO-Bericht liege seit dem 30. Oktober vor. Er sei eine gute Grundlage, über die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens zu entscheiden. „Wir werden eine Entscheidung bekanntgeben“, sagte der Sprecher der dpa. Seine Behörde ist zuständig, weil die Heimatkaserne von Georg Klein in Leipzig ist. Der Kommandeur ist inzwischen wieder bei seinem Heimatverband in Sachsen.

Es gehe auch um die Rechtsgrundlage, sagte Wolfgang Klein dem NDR. „Die Frage, ob in Afghanistan Krieg oder kriegsähnliche Zustände geherrscht haben, oder ob es ein bloßer Unterstützungseinsatz war, spielt auch eine gewisse Rolle“, sagte er. Je nach Bewertung würde entweder deutsches Strafrecht oder Völkerstrafrecht gelten - letzteres könne eine mildere Beurteilung bedeuten, hieß es. Guttenberg hatte erst am Dienstag in einem Interview von „kriegsähnlichen Zuständen“ in Afghanistan gesprochen – und sich damit klar von seinem Vorgänger Franz Josef Jung (CDU) distanziert, der stets von einem Stabilisierungseinsatz gesprochen hatte.

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, sagte der „Mitteldeutschen Zeitung“, der Verband stehe weiter „ohne Wenn und Aber“ zu Klein. „Unsere Frauen und Männer werden sagen, wenn wir in den Einsatz gehen, dann haben wir den Staatsanwalt mit im Gepäck. Das wäre fatal.“ Klein habe „militärisch das Richtige getan“.