Heftige Diskussionen mit den Juden, Ärger um traditionelle Gebetsformeln und alte Dogmen im neuen Gewand: Mit seinen doppeldeutigen Predigten und kirchenpolitischen Aktionen gibt Papst Benedikt XVI. (81) weltweit Rätsel auf. Bilder vom Papst.

Hamburg/Rom. Streit um den Holocaust, Annäherung an die Muslime. Ärger um traditionelle Gebetsformeln und alte Dogmen im neuen Gewand: Mit seinen doppeldeutigen Predigten und kirchenpolitischen Aktionen gibt Papst Benedikt XVI. (81) der Fachwelt und den Gläubigen aller Religionen weltweit Rätsel auf. Und in Deutschland fragen sich bereits die Beobachter: Wie viel von dem eher berüchtigten als berühmten Kardinal Joseph Ratzinger steckt noch in Gottes Stellvertreter im Vatikan?

Der messerscharf denkende Theologe aus dem bayrischen Marktl am Inn hat bereits vor seinem überraschenden Pontifikat die Kritiker mehrfach in Wallung versetzt. Als einer der Gralshüter vatikanischer Glaubenshoheit vergrätzte er die Bischöfe Lateinamerikas, kritisierte Abtreibung und scheinbar feministische Bewegungen in der Kirche scharf. Wer geschieden war und wieder heiratete, sollte auch nicht an der Kommunion teilnehmen. Das sahen auch die deutschen Bischöfe Mitte der neunziger Jahre anders. Als Ratzinger ("Der eiserne Kardinal") am 18. April 2005 zu Benedikt XVI. wurde, gab er sich diplomatischer. Er reiste nach Deutschland und Polen, das Land seines Vorgängers. Der Papst besuchte Auschwitz und schien um einen verbesserten Dialog mit den anderen Weltreligionen bemüht. Vor allem mit Jugendlichen verstand er sich überraschend gut, was seine Besuche bei Weltjugendtagen zeigen. Doch schon seine Regensburger Rede mit ihren missverständlichen Passagen zu den Muslimen weckte das Misstrauen der Papst-Kritiker.

Die Erlaubnis zur Messe nach tridentinischem Ritus befeuert diese Skepsis. Es wirkte wie ein Bruch mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, das die Katholiken als Aufbruch in die Moderne empfanden. Warum sollte plötzlich der Priester wieder mit dem Rücken zu den Gläubigen stehen können?

Juden empfanden es als Affront, dass zu Ostern 2008 wieder eine umstrittene Karfreitagsfürbitte kirchentauglich wurde, in der quasi für die Juden als verirrte Gläubige gebetet wird.

Und nun die Diskussion um die Holocaust-Leugner, denen Benedikt wieder den Weg in die Kirche geebnet hat. Nach der Kritik des Hamburger Erzbischofs Werner Thissen im Abendblatt erhoben sich weitere Stimmen, die die Glaubwürdigkeit der Kirche beklagen: "Es belastet uns, dass es viele Reaktionen voller Enttäuschung und Ratlosigkeit gibt und dass die Glaubwürdigkeit der Kirche infrage gestellt wird", sagte der Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Stefan Vesper. Er wünsche sich vom Papst Bedingungen an die traditionalistische Pius-Brüderschaft, sagte Vesper: "Eine klare Frist für die Pius-Brüderschaft, sich klar zum Zweiten Vatikanischen Konzil zu bekennen." Dass die Rehabilitierung des umstrittenen Bischofs Richard Williamson wieder aufgehoben werde, sei "kirchenrechtlich extrem schwierig".

Der rehabilitierte Traditionalistenbischof Bernard Tissier de Mallerais sagte, dass er und seine Anhänger sich nicht mit der Wiederaufnahme in die Kirche zufriedengeben wollen. "Wir werden unsere Positionen nicht ändern, sondern Rom bekehren", sagte er der Tageszeitung "La Stampa". Die Verbannung habe 20 Jahre gedauert, und nun wollten die Bischöfe "den Vatikan in ihre Richtung führen".