Der Vatikan hat Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zurückgewiesen und seine verurteilende Haltung gegenüber jeder Verharmlosung des Holocaust bekräftigt.

Berlin/Rom. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat vom Papst nach der Rücknahme einer Kirchenstrafe für den britischen Holocaust-Leugner Richard Williamson eine Klarstellung gefordert. In einer ungewöhnlichen Reaktion auf die strittige Personalentscheidung des deutschen Papstes erklärte Merkel: "Es geht darum, dass von Seiten des Papstes und des Vatikans sehr eindeutig klargestellt wird, dass es hier keine Leugnung geben kann." Dies sei aus ihrer Sicht "noch nicht ausreichend erfolgt", sagte Merkel am Dienstag in Berlin und sprach von einer "Grundsatzfrage". Nach massiver Kritik am Papst wegen des Zugehens auf die erzkonservative Piusbruderschaft räumte der Vatikan Fehler ein und ist um eine Entschärfung der Krise bemüht.

Der Vatikan machte aber deutlich, dass er die Forderung der Kanzlerin für unangebracht hält. Die Verurteilung jeder Holocaust- Leugnung durch den Papst hätte "klarer nicht sein können", sagte der Sprecher des Vatikans, Federico Lombardi. Er verwies darauf, dass der Papst zuletzt am vergangenen Mittwoch seine "volle Solidarität" mit den Juden bekräftigt und sich von einer Leugnung der Judenvernichtung distanziert habe. Begrüßt wurde Merkels Intervention dagegen von dem Tübinger Theologen Hans Küng und der "Initiative Kirche von unten".

Die Teilrehabilitierung der Bruderschaft sei "ein Signal für die Vergiftung und gegen die Versöhnung, für die Kälte und gegen jede Herzlichkeit", kritisierte der Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, den Vatikan. Benedikt XVI. müsse diese Entscheidung "klar und unzweideutig zurücknehmen", sagte er dem Nachrichtensender n-tv. Neben der Holocaust-Leugnung müsse auch bedacht werden, dass die traditionalistische Piusbruderschaft fundamentalistisch, antisemitisch und reaktionär sei, sagte Graumann.

Benedikt und allen seinen Mitarbeitern liege auch künftig an guten Beziehungen zum Judentum, sagte Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone der katholischen Zeitung "Avvenire". Die Bruderschaft habe sich von Äußerungen ihres Mitbruders distanziert und den Papst "für diese unerfreuliche Episode um Verzeihung gebeten", erinnerte Bertone. Der Papst selbst habe sich am vergangenen Mittwoch klar dazu geäußert, "die Angelegenheit ist aus meiner Sicht beigelegt".

Papst Benedikt XVI. hatte am 24. Januar die Rücknahme der Exkommunikation von vier Bischöfen der Priesterbruderschaft St. Pius bekanntgegeben, darunter Williamson. Dieser Schritt hatte vor allem bei Juden weltweit Empörung und Unverständnis ausgelöst, aber auch innerhalb der römisch-katholischen Kirche, vor allem in Deutschland.

Merkel erklärte, wenn durch eine Entscheidung des Vatikans der Eindruck entstehe, dass der Holocaust geleugnet werden könne und es um grundsätzliche Fragen zum Umgang mit dem Judentum gehe, dürfe dies nicht ohne Folgen bleiben. Sie bewerte im allgemeinen keine innerkirchlichen Entscheidungen. Hierbei gehe es aber um eine Grundsatzfrage, betonte die Regierungschefin.

"Es sind mit Sicherheit Fehler im Management der Kurie gemacht worden", sagte der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper in einem Interview von Radio Vatikan. Der Kardinal zeigte sich zutiefst besorgt über die durch die Rücknahme der Kirchenstrafe ausgelöste Debatte und sprach von einem entscheidenden "Mangel an Kommunikation im Vatikan". Dabei nahm er auch Bezug auf ähnliche "Betriebsunfälle" des deutschen Pontifex - wie die Regensburger Rede, die 2006 durch ein Islam-Zitat Proteste in der islamischen Welt ausgelöst hatte.

Die Kritik an der Entscheidung des Papstes nimmt auch innerhalb der katholischen Kirche weiter zu. In seiner Gemeinde herrsche viel Unmut über das Vorgehen des Vatikans, sagte der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode dem Sender NDR info. Ausdrücklich nahm Bode den Papst in Schutz. Benedikt habe die Hand ausstrecken wollen. Dabei sei er aber schlecht beraten gewesen.

Am Montag hatte bereits der Mainzer Kardinal Karl Lehmann eine "Entschuldigung von hoher Stelle" verlangt. Im SWR kritisierte Lehmann die päpstliche Kommission, die für die Wiedereingliederung der Pius-Bruderschaft zuständig war. Ob aus Unwissenheit oder Fahrlässigkeit - "es müssen auch Konsequenzen her für diejenigen, die dafür verantwortlich sind", sagte Lehmann dem Sender. Benedikts Entscheidung, Williamson entgegenzukommen, sei eine Katastrophe für alle Holocaust-Überlebenden. Der Papst müsse auch klarstellen, dass die Leugnung des Holocaust kein beliebiges Kavaliersdelikt sei.

Auch der Papst-Schüler Wolfgang Beinert forderte den Vatikan zum Handeln auf. Es müsse von der Bruderschaft eine Erklärung verlangt werden, wonach das Zweite Vatikanische Konzil anerkannt werde, samt der Erklärungen über Religionsfreiheit und das Verhältnis zu den Juden, sagte der frühere Assistent von Joseph Ratzinger in Regensburg dem Bayerischen Rundfunk.

Nach Beinerts Einschätzung ist das Vorgehen von Benedikt XVI. in der 2000-jährigen Geschichte der katholischen Kirche beispiellos. Bisher hätten Gruppierungen, die im Widerspruch zum Papst standen, immer erst ihren Auffassungen abschwören müssen. Die vier Bischöfe seien aber teilweise rehabilitiert worden, ohne dass sie ihre abweichenden Auffassungen hätten revidieren müssen.

Nach Einschätzung von zwei Papst-Biografen ist Benedikt XVI. im Fall Williamson falsch beraten worden. "Entweder man hat im Vatikan geschlampt oder dem Papst etwas vorenthalten" sagte Autor Klaus- Rüdiger Mai der Deutschen Presse-Agentur dpa. Gravierender als die aktuelle Debatte um die Traditionalisten seien die Folgen der Affäre für die Autorität des Papstes. Biograf Peter Seewald sagte "Focus Online": "Es ist völlig unvorstellbar, dass er die Äußerungen gekannt hat. Sonst hätte er niemals die Exkommunikation aufgehoben."