Hamburgs Bürgermeister spricht von Verschwendung und prüft eine Klage vor dem Verfassungsgericht. CDU-Chef Weinsberg hält das für “problematisch“.

Berlin/Hamburg. Der Bund mischt sich mit dem Betreuungsgeld unrechtmäßig in die Gesetzgebungskompetenzen der Länder ein - das glaubt zumindest Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Er will deshalb juristisch prüfen lassen, ob sich die umstrittene Zahlung, die gestern vom Bundeskabinett gebilligt wurde, über eine Klage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verhindern lässt.

"Wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass der Bund für das Betreuungsgeld keine Gesetzgebungskompetenz hat", sagte Scholz dem Abendblatt. "Die existiert nämlich nur, wenn es Bedarf für eine bundeseinheitliche Regelung gibt." Es gebe jedoch keine Begründung für eine Regelung durch den Bund, wenn es in einem Bundesland, in Thüringen, bereits ein Betreuungsgeld gebe. Die Landesregierung in Erfurt hatte eine entsprechende Zahlung bereits 2006 auf eigene Initiative eingeführt. "Die Justizbehörde hat den Auftrag, die Angelegenheit zu prüfen und - wenn das Gesetz beschlossen ist - eine Klage vorzubereiten", so Scholz.

Nach der Zustimmung im Bundeskabinett soll der Bundestag voraussichtlich am 29. Juni über das Betreuungsgeld abstimmen. Am 15. Juli könnte sich dann der Bundesrat mit der Vorlage befassen. Sofern Union und FDP bei ihrem Kurs bleiben, dass die Länderkammer mit ihrem SPD-Übergewicht nicht zustimmungspflichtig ist, wäre das Gesetz damit vorerst beschlossene Sache - jedenfalls bis zu einem Urteil der Karlsruher Richter.

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Das Betreuungsgeld sieht vor, dass Eltern, die ihre Kleinkinder zu Hause betreuen, vom 1. Januar 2013 an eine finanzielle Unterstützung erhalten. Mütter und Väter von Kindern im ersten Lebensjahr, die keinen staatlich geförderten Kita-Platz in Anspruch nehmen, sollen zunächst 100 Euro monatlich erhalten. Von 2014 an soll der Zuschuss auch für Kinder im dritten Lebensjahr greifen. Dann wird er für alle auf 150 Euro monatlich angehoben. Die Leistung wird 24 Monate lang gezahlt.

Die Opposition aus SPD, Grünen und Linken kritisiert die Pläne. Das Betreuungsgeld sei ein teures und ideologisches Konzept, sagte Scholz. Und in manchen Fällen schade es Kindern, die eigentlich von einer Betreuung im Kindergarten profitieren würden. Vielen Jungen und Mädchen stünden zu Hause nicht genügend Möglichkeiten für eine gute Entwicklung zur Verfügung. Scholz: "Um es klar zu sagen: Das Betreuungsgeld bedeutet Geldverschwendung."

Auch bei Union und FDP ist das Betreuungsgeld nicht unumstritten. Auf Druck der CSU wurde es 2009 in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Sowohl die Liberalen als auch Teile der CDU lehnen die Zahlung im Grundsatz ab, wollen aber aus Koalitionsräson zustimmen.

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Hamburgs CDU-Chef Marcus Weinberg sagte dem Abendblatt, er halte es für problematisch, "jetzt mit einer Klage zu drohen". Das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren sei noch in vollem Gange, und es könnten noch Änderungen eingebracht werden.

Die juristische Argumentation von Scholz könne er nicht nachvollziehen, sagte Weinberg: "Der Bund bietet mit dem Betreuungsgeld eine zusätzliche Leistung an, die die Länder in keiner Weise einschränkt. Eine Einmischung sehe ich deshalb nicht."