General Markus Kneip ist der hochrangigste Verwundete der Bundeswehr. Trotz der Verletzungen will er seinen Auftrag weiter ausführen.

Masar-i-Scharif. Eigentlich wollte er seinen Soldaten in Afghanistan nur die anstehende Bundeswehrreform erklären. Doch als Generalinspekteur Volker Wieker am Sonnabend gegen 20 Uhr Ortszeit im usbekischen Taschkent aus dem Flugzeug stieg, zog ihn sofort der Botschafter zur Seite. Gleichzeitig ploppten auf dem Handy seines Sprechers Nachrichten auf: Bei einem Anschlag auf den Gouverneurspalast im nordafghanischen Talokan sind zwei Bundeswehrsoldaten getötet worden, ein Major, 43, und ein Hauptfeldwebel, 31. Beide gehören zum engsten Mitarbeiterkreis des deutschen Regionalkommandeurs Generalmajor Markus Kneip, der bei dem Sicherheitstreffen lokaler Entscheidungsträger verwundet wurde.

Keine zwölf Stunden später saß Wieker an Kneips Krankenbett im Camp Marmal in Masar-i-Scharif. Trotz Schrapnellverletzungen an den Armen und im Gesicht konnte der Generalmajor schon wieder erste Anweisungen erteilen. "Ich bin Kommandeur hier im Norden Afghanistans und werde gemeinsam mit meinen Soldaten diesen Auftrag weiter ausführen", sagte Kneip, der heute seinen 55. Geburtstag feierte. Dass er auch die nächsten neun Monate in Nordafghanistan verbringen wird, steht für ihn außer Frage. Er habe den klaren Auftrag, gemeinsam mit den afghanischen Partnern Frieden und Sicherheit in dieses Land zu bringen. "Das erwarten die Menschen hier von uns nach 30 Jahren Krieg." Diese Erwartung werde er erfüllen, dafür stehe er persönlich ein.

Genau das teilte Kneip seinen beiden obersten Vorgesetzten mit: Außer Wieker besuchte auch der Befehlshaber der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe, US-General David Petraeus, den verletzten Kommandeur. Kneip ist der erste General der Bundeswehr, der bei einem Angriff im Auslandseinsatz verwundet worden ist. Bei dem Angriff auf den Palast von Gouverneur Abdul Jabar Taqwa hat auch eine Soldatin aus Kneips Stab schwere Verwundungen erlitten. Er bete für ihre Genesung sowie für die der anderen Verletzten, sagte Kneip. Dass er zwei seiner Leute verloren hat, ging ihm spürbar nahe: "Ich habe jeden Tag mit diesen wunderbaren Menschen zusammengearbeitet."

Der deutsche Regionalkommandeur hatte am Sonnabend an einer Sicherheitskonferenz im Gouverneurspalast von Talokan teilgenommen; gerade wollte er mit anderen hochrangigen Teilnehmern zu einer Pressekonferenz vor die Kameras treten - darunter die Chefs der afghanischen Polizei und Armee für den Norden, die Generale Daoud Dauod und Salmai Wesa -, da zündete ein Selbstmordattentäter im Gebäude einen Sprengsatz. Er soll eine Polizeiuniform getragen und Teil der Sicherheitskräfte gewesen sein. Ein deutscher Teilnehmer des Treffens beschreibt, er sei noch auf der Treppe gewesen, als es im Erdgeschoss zu einer Detonation gekommen sei. Anschließend seien Schüsse zu hören gewesen, möglicherweise sei Munition in dem Feuer detoniert, das nach der Explosion ausbrach. Nach kurzer Zeit rückten vom Bundeswehr-Camp in Talokan Soldaten an. General Wesa ist kurz nach dem Anschlag noch merklich schockiert: "Ich hatte meine Splitterschutzweste angelegt und war ein paar Meter hinter den anderen, als der Selbstmordattentäter zuschlug." Gouverneur Taqwa, Polizeichef Daoud und General Kneip seien nach vorne gelaufen und bei der Explosion zu Boden gegangen. Daoud starb bei der Explosion sowie weitere Afghanen.

Die toten Deutschen sind ein Major aus dem Führungsunterstützungsbataillon 282 in Kastellaun in Rheinland-Pfalz und der Hauptfeldwebel des Feldjägerbataillons 152 aus Hannover, sie sind die deutschen Gefallenen Nummer 50 und 51 in diesem 6000 Kilometer entfernten Krieg. Erst am Mittwoch war ein 33-jähriger Hauptmann bei einem Anschlag in Nordafghanistan von Aufständischen getötet worden.

Trotz des tödlichen Anschlags will die Bundesregierung ihre Strategie in dem Land beibehalten. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) bekräftigten am Wochenende, dass Deutschland den afghanischen Behörden weiterhin zur Seite stehe. "Wir werden den Weg der Partnerschaft nicht verlassen", sagte de Maizière. Gerade nach den Demonstrationen der letzten Tage sollte neues Vertrauen geschaffen werden. Er bat "die deutsche Öffentlichkeit, gerade jetzt" den Afghanistan-Einsatz zu unterstützen. Laut Westerwelle "darf und wird uns der Anschlag nicht davon abbringen, unsere Strategie in Afghanistan umzusetzen." Ziele blieben der baldige Beginn der Übergabe der Sicherheitsverantwortung und die Suche nach einer politischen Lösung. Deutlicher äußerte sich Unions-Verteidigungsexperte Ernst-Reinhard Beck (CDU), der eine Gegenoffensive der internationalen Truppen gegen die Taliban forderte. "Der Anschlag kann nicht ohne Folgen bleiben", sagte der Fachsprecher der Fraktion.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich "schockiert und traurig". Der afghanische Präsident Hamid Karsai sicherte ihr eine umfassende Untersuchung des Selbstmordanschlags von Talokan zu. In einem Telefonat habe Karsai der Kanzlerin noch einmal "die hohe Wertschätzung des afghanischen Volkes für das deutsche Engagement in seinem Land" bestätigt, hieß es im Kanzleramt.