VALENCIA. Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon braucht nur einen sehr kurzen Satz, um den Klimareport von Valencia zusammenzufassen. Dessen 23 Seiten seien so furchterregend wie ein Science-Fiction-Film. Aber statt Kreaturen aus dem All ist der Mensch selbst dabei, seine Lebensgrundlage zu gefährden. Daran gibt es seit dem Spruch des Weltklimarats IPCC keinen Zweifel mehr.

Spätestens 2015 muss das Maximum des Treibhausgas-Ausstoßes erreicht werden, sagt IPCC-Chef Rajendra Pachauri nach sechsjähriger Arbeit. Nun liegt die Zusammenfassung des vierten Reports vor. Demnach drohen Dürre in Afrika und Südeuropa, Überschwemmungen der Flussdeltas und der Verlust fruchtbaren Landes in Asien, starke Niederschläge und Stürme in Nordeuropa, das Schwinden des Grönland- und Polareises und der damit verbundene Untergang der kleinen Inselstaaten, mehr Kriege, mehr Infektionskrankheiten, das Aussterben vieler Tier- und Pflanzenarten und das Ende ganzer Ökosysteme - die Schreckensliste lässt sich mit dem Blick in den Report weiter fortsetzen.

Und manches ist auch noch schlimmer als bisher gedacht. So ist der Weltklimarat inzwischen selbst von seiner Annahme abgerückt, dass der Meeresspiegel bis zum Ende des Jahrhunderts "nur" um 18 bis 59 Zentimeter steigt: In ihrem in Valencia verabschiedeten Synthesepapier wollten die Experten am Sonnabend die Zahlen nicht mehr als Obergrenze verstanden wissen.

Alle zehn Tage wird Bilanz zum Wasserstand der Ozeane gezogen, die 70 Prozent der Erdoberfläche bedecken, sagt Philippe Escudier, Leiter der ozeanografischen Abteilung der Gesellschaft Collecte Localisation Satellites (CLS), das die Bilder aus dem All auswertet. Im Schnitt sei der Meeresspiegel um drei Millimeter pro Jahr angestiegen, sagt Anny Cazenave vom französischen Geoforschungsinstitut Legos. Seit Anfang der 90er-Jahre habe sich das auf fünf Zentimeter summiert. Die Frage ist, ob sich der Anstieg deutlich beschleunigt, nachdem es klarere Hinweise auf ein Abschmelzen von Gletschern und Eiskappen gibt und der CO2-Ausstoß ansteigt.

Neben Satelliten haben Bojen - in einem System namens Agro gibt es davon inzwischen 3000 weltweit - in den vergangenen Jahren große Fortschritte bei der Messung erlaubt. Der Planet kann heute als Ganzes überwacht werden, und selbst kleinste Veränderungen sind messbar.

Drei Faktoren führen zum Anstieg der Meeresspiegel: Die durch Erwärmung erzeugte Ausdehnung des Wassers, das Abschmelzen von Gletschern sowie das Abschmelzen von Eiskappen in polnahen Gegenden wie Grönland. In den vergangenen 50 Jahren hätten die Ozeane dabei "15-mal mehr Wärme absorbiert als die Erde und 20-mal mehr als die Atmosphäre", sagt Cazenave. Der dadurch entstehende Ausdehnungseffekt trage mit 1,6 Millimetern zum jährlichen Anstieg des Meeresspiegels bei. Der Einfluss schrumpfender Gletscher liege bei ungefähr 0,8 Millimetern. Die zurückweichende Eisdecke Grönlands mache 0,3 Millimeter pro Jahr aus.

Cazenave, die auch zu den Experten des Uno-Klimarats gehört, stellt die Anfang des Jahres gemachte Prognose zum Anstieg des Meeresspiegels infrage. "Sie bezieht nicht das künftige Verhalten der polaren Eiskappen in Grönland und der Antarktis ein", sagt sie. "Es scheint, dass die Modelle den Klimawandel unterschätzen." Laut den jüngsten Berechnungen des australischen Klima-Instituts könnte der Meeresspiegel bis zum Jahrhundertwechsel sogar um bis zu 1,40 Meter angestiegen sein.