Weniger Schadstoffe in der Luft, gesunde Böden - stirbt Deutschlands Wald doch nicht wie 1984 befürchtet? Vieles ist inzwischen tatsächlich besser geworden. Aber noch immer gibt es erhebliche Schäden an den Bäumen. Und der Klimawandel kann schnell zu einer neuen Bedrohung werden.

Schauen Sie sich diese Kieferkrone an: Sie ist so durchsichtig, dass ein Vogel darin sein Nest nicht verstecken kann", sagt Dr. Rainer Wujciak (62), Chef der zehn Hamburger Förstereien. Die Krone der hochgewachsenen Kiefer hebt sich filigran vom grauen Himmel ab. Der Baum steht im Revier Hausbruch in den Harburger Bergen. Denselben Satz hatte Wujciak vor 25 Jahren gesagt, als er - ebenfalls mit der Autorin - interessierte Hamburger durch diesen Forst führte. Das Thema damals wie heute: das Waldsterben. Heute, ein Vierteljahrhundert später, gehe es Hamburgs Wäldern ein wenig besser, sagt der Forstexperte. Aber mit dem Klimawandel drohe neues Ungemach.

Die klassischen Waldschäden seien am stärksten an Fichten zu erkennen. Wujciak zeigt auf ein älteres Exemplar, dessen dünn benadelte Zweige Lametta-artig von den Ästen hängen. "Die Fichte wächst hier im Grenzbereich ihrer natürlichen Verbreitung, sie ist eigentlich keine standortgerechte Baumart. Das macht sie anfällig gegenüber Schädlingen wie dem Borkenkäfer." Ein paar Hundert Meter weiter liegt ein Dutzend Fichtenstämme, einige entrindet. Im blanken Holz bilden Fraßgänge ein fächerartiges Muster, geschaffen von Borkenkäfern - deshalb heißt der knapp fünf Millimeter große Käfer auch Buchdrucker.

Viele Bäume sind krank, doch erleichtern drei Faktoren den Patienten inzwischen das Leben: reinere Luft, das Kalken der Hamburger Wälder und das Bestreben der Förster, naturnahe, stabile Waldgemeinschaften zu bilden. Wujciak: "Bei den Luftschadstoffen ist die Situation heute deutlich entspannter. Der Ausstoß von Schwefeldioxid, Hauptverursacher des sauren Regens, ist drastisch gesunken. Auch Stickoxide sind dank Auto-Katalysatoren zurückgegangen."

Probleme mache noch das Ammonium aus der Landwirtschaft. Die Stickstoff-Verbindung überdüngt die Bäume. Wujciak vergleicht dies mit Menschen, die sich fett- und zuckerreich ernähren: "Sie sehen vielleicht gut genährt aus, sind aber weniger gesund und krankheitsanfälliger. Bei überdüngten Bäumen droht erhöhter Schädlingsbefall, denn Insekten schmecken sie besser."

Nicht nur die Luft, auch der Boden ist besser als in den 80er-Jahren. Damals vermissten die Hamburger Förster die Regenwürmer, setzten Kalk ein, um die Versauerung zu stoppen. Wujciak spricht von einem "neutralisierenden Deckel", der den Bodenlebewesen ein günstigeres Milieu geschaffen hat. So kehrten die Würmer zurück.

Auch die Bäume profitieren: "Hier im Unterholz wachsen überall junge Buchen." Vor 25 Jahren war hier alles kahl, doch durch die Kalkung konnten die Bucheckern wieder keimen." Diese Naturverjüngung gehört zum dritten Faktor der forstlichen Gesundheitsförderung, der naturnahen Forstwirtschaft. Sie setzt auf Mischwälder und Pflege, die natürliches Wachstum unterstützen.

Wie wird ein Waldspaziergang in 25 Jahren aussehen? "Wenn alles gut läuft sehr ähnlich wie heute", antwortet Wujciak. "Ich hoffe, dass wir dann noch alte, heimische Bäume vorfinden, dass die Menschen sich weiter im Wald erholen. Vielleicht könnte das Wetter an dem Tag ein wenig besser sein als heute."