Die Musikerinnen sind schuldig gesprochen worden. Zwei Jahre müssen sie ins Straflager. Weltweite Proteste.

Hamburg/Moskau. Die drei Mitglieder der russischen Punkband Pussy Riot müssen zwei Jahre ins Straflager. Das entschied das Moskauer Chamowniki-Gericht am Freitag.

Während des Prozesses hat die Moskauer Polizei vor dem Gericht etwa 30 Anhänger der drei jungen Frauen festgenommen. Auch der Kremlkritiker und Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow sowie Sergej Udalzow, einer der Oppositionsführer, seien abgeführt worden, meldete die Agentur Interfax am Freitag. Vor dem Gebäude warteten Hunderte Menschen, darunter auch Gegner von Pussy Riot, auf die Verkündung des Strafmaßes. Die Richterin hatte die jungen Frauen zuvor wegen „Rowdytums aus Motiven des religiösen Hasses“ schuldig gesprochen. Gemeint ist damit Hass auf Gläubige und ihre Religion.

Die drei Musikerinnen Marija Aljochina, Jekaterina Samuzewitsch und Nadeschda Tolokonnikowa hatten im Februar mit einem "Punk-Gebet“ in der orthodoxen Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau gegen eine Wiederwahl Wladimir Putins als Staatspräsident protestiert. Sie verbrachten seitdem ein halbes Jahr in Untersuchungshaft. Dort seien sie Foltermethoden wie überlangen Verhören und Schlafentzug ausgesetzt gewesen, erklärten sie.

In der Urteilsverkündung von Richterin Marina Syrowa hieß es, die drei Frauen hätten ihre öffentliche Missachtung der kirchlichen Ordnung bewusst geplant und eine Verletzung religiöser Gefühle von Gläubigen in Kauf genommen. Sie hätten keine Reue gezeigt und sich lediglich auf eine künstlerische Darstellung berufen. Beobachter erwarten, dass die Anwälte der Angeklagten Berufung gegen das Urteil einlegen.

Staatspräsident Putin und ein Sprecher der russisch-orthodoxen Kirche hatten sich im Vorfeld gegen eine harte Bestrafung ausgesprochen. Er hoffe, die drei Frauen hätten ihre Lektion gelernt, so Putin. Die Anwälte der als Nebenkläger auftretenden Kirchenmitarbeiter äußerten während des Prozesses unterschiedliche Ansichten. Die Strafe müsse von einer Wiederholung der Tat abschrecken. Die Vertreter von zwei weiteren Nebenklägern forderten hingegen Bewährungsstrafen.

Für eine Freilassung der Frauen indes setzen sich neben Menschenrechtsorganisationen auch zahlreiche Politiker, Prominente und Kirchenvertreter aus dem Ausland ein. Vor dem Gerichtsgebäude warteten Hunderte Schaulustige. In vielen Städten, auch in Deutschland, fanden Flashmobs und Demonstrationen statt. Amnesty International stuft die drei Angeklagten als politische Gefangene ein und sprach von einem "Signalfall“ für die Menschenrechte.

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Ein Hamburgerin verfolgt Prozess vor Ort

Unter chaotischen und zum Teil dramatischen Bedingungen hat die Hamburger Anwältin Ulrike von Criegern die Urteilsverkündung in Moskau verfolgt. Sie ist offizielle Beobachterin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, deren Hamburger Gruppe unter anderem die Unternehmer Nikolaus Broschek und Ian Karan angehören sowie Ex-Moderator Ulrich Wickert. Von Criegern berichtete dem Abendblatt, dass Digitalkameras konfisziert wurden, dass es Proteste und Verhaftungen rund um das Gericht gab. Vor Ort war auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck, die über Twitter schrieb: „Im Gericht stehen sich das schöne, moderne und das muffige alte SU Russland gegenüber.“

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Von Criegern sagte, es habe großes Gelächter im Gericht gegeben, als die Richterin erklärte, die Musikerinnen seien offenbar verrückt, psychisch gestört. „Was hier abläuft, ist wirklich abenteuerlich.“ Dabei hätten die drei Verurteilten einen gefassten, beinahe lässigen Eindruck auf die Hamburger Juristin gemacht.

Die Reise nach Moskau war für die Anwältin heikel. Mitglieder von Nicht-Regierungs-Organisationen gelten nach einem neuen russischen Gesetz als ausländische Spione. Noch während der Urteilsverkündung hat die Polizei etwa 30 Anhänger der drei jungen Frauen festgenommen, darunter den Kremlkritiker und früheren Schachweltmeister Garri Kasprow sowie Sergej Udalzow, einer der Oppositionsführer.

In Hamburg demonstrierten am Freitag etwa 100 Sympathisanten von Pussy Riot mit Masken und Transparenten am Tschaikowskyplatz an der Russisch-Orthodoxen Kirche (St. Pauli). Eine Veranstalterin kritisierte die Verurteilung als „brutal“ und sprach von einem Zeichen gegen die Anti-Putin-Bewegung. In Berlin kamen etwa 200 Menschen vor der russischen Botschaft Unter den Linden zusammen. Auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung Markus Löning (FDP), Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast und einige Politiker der Linken beteiligten sich an der Kundgebung und kritisierten die russische Justiz.

Mit Material von dpa, kna und dapd