Den Frauen von Pussy Riot droht nicht nur wegen ihres Protests gegen Putin Haft. Sie haben sich auch mit Kirchenoberhaupt Kirill angelegt.

Moskau. So scharf wie niemand sonst wirft die Moskauer Punkband Pussy Riot der russisch-orthodoxen Kirche "Falschheit“ und politische "Heuchelei“ vor. Das für diesen Freitag (17. August) erwartete Urteil gegen die drei Musikerinnen, die in der Moskauer Erlöserkathedrale gegen Kremlchef Wladimir Putin und den Patriarchen Kirill protestiert haben, gilt daher auch als Abrechnung der Kirche mit ihren Kritikern. Wegen Rowdytums aus religiösem Hass droht den Künstlerinnen lange Haft. Aber sie sind nicht die einzigen, die eine "unheilige Allianz“ von Kirche und Staat in Russland anprangern.

Die russisch-orthodoxe Kirche und Ex-Geheimdienstchef Putin sehen sich seit langem Vorwürfen korrupter Machtkungelei ausgesetzt. "Der Patriarch glaubt an Putin. Besser sollte er, der Hund, an Gott glauben“, singt Pussy Riot. Die Zeile stammt aus dem Song "Mutter Gottes, vertreibe Putin!“, dem wichtigsten Beweismittel in dem international kritisierten Prozess. Es sind bisher vor allem Frauen, die öffentlich vor einer "Verkirchlichung des Lebens“ und einem "russisch-orthodoxen Kirchenstaat“ warnen.

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"Gott, verjage den Zaren!“, schrieben halbnackte Aktivistinnen der ukrainischen Organisation Femen schon im Dezember 2011 bei einer Aktion vor der Erlöserkathedrale auf Plakate. Auf der nackten Brust hatten sie das russisch-orthodoxe Kreuz. Später trug Pussy Riot den Protest mit den Klarnamen Putin und Patriarch direkt in die Kirche. Und zuletzt stürmte im Juli eine Femen-Frau dem Patriarchen auf dessen Ukraine-Besuch entgegen – "Kill Kirill“ (Töte Kirill) stand auf ihrem nackten Rücken. Dafür gab es 15 Tage Arrest.

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Kirill, der von diesem Donnerstag an in Polen auf Versöhnungskurs mit den Katholiken ist, sieht sich und seine Kirche in Russland immer lauter als "Scheinheilige“ und "falsche Moralapostel“ verunglimpft. Genüsslich breiteten Medien am Mittwoch den Fall eines Priesters aus, der reichen Prominenten Sonderdienste erweist, und in Moskau in einem Sportcabrio – angeblich betrunken – eine Karambolage verursachte.

Den russischen Kirchenfürsten wird schon länger ein Hang zum Luxus nachgesagt. Besonders peinlich für den Oberhirten Kirill selbst war unlängst ein Zensurskandal um seine westliche Armbanduhr. Für ein offizielles Foto retuschierten seine Mitarbeiter das kostbare Stück am Handgelenk des Patriarchen weg. Raus kam der Schwindel aber dennoch, weil auf dem Foto noch das Spiegelbild der Uhr in der glatten Oberfläche von Kirills Schreibtisch glänzte.

Dem 65-Jährigen werden engste Verbindungen in den Kreml nachgesagt - auch zu Putin, den Spitzenbeamte gern als "Gottgesandten“ loben. Die Kirche hat Putin vieles zu verdanken – wie die Rückgabe von Eigentum, das ihr die Kommunisten nach der Oktoberrevolution 1917 entrissen hatten. Auch wegen ihrer Unterdrückung zu Sowjetzeiten wertet die Kirche Kritik oft als neuen Totalangriff auf die Religion.

Und auch Putin verdankt einen Teil seiner Macht der Fürsprache der Kirche. Im Pussy-Riot-Prozess kritisierte die Angeklagte Nadeschda Tolokonnikowa (22), dass Kirill vor der Präsidentenwahl am 4. März mit einem Appell für Putin unzulässig Partei ergriffen habe. Auch deshalb habe Pussy Riot in der Erlöserkathedrale protestiert. Und diese Hauptkirche kommt noch aus einem anderem Grund seit Tagen nicht aus den Schlagzeilen.

Dabei geht es um eine Klage von Verbraucherschützern, in der Kathedrale werde illegal Handel getrieben. Zu den dubiosen Geschäften gehören demnach ein Partyservice, eine chemische Reinigung sowie eine Autowaschanlage. Jedoch sah das Gericht, das zugleich den Prozess um Pussy Riot verhandelt, keine Verstöße von Kirchenseite.

Die Kathedrale biete keine Waren mit Preisschildern, sondern lediglich Gegenstände mit einem Vorschlag für eine "Gabe“, hieß es im Urteil. Und da praktisch nur getauscht und nichts verkauft werde, könnten keine Rechte von Verbrauchern verletzt werden. Die Gesellschaft zum Schutz der Verbraucherrechte OZPP in Moskau wertete dies hämisch als "epochalen Entscheidung“, für die Kirche und Gericht den Wirtschaftsnobelpreis verdient hätten.