Nach Drohungen muss sich Marina Syrowa schützen. Pussy Riot selbst erwarten lange Haftstrafen - von der Politik. Am Freitag fällt das Urteil. Russlands Präsident Putin will seine Gegner hart anfassen.

Moskau/Köln. Einen Tag vor dem Urteil gegen die kremlkritische Punkband Pussy Riot erhält Richterin Marina Syrowa wegen angeblich mehrerer Drohungen Schutz durch Leibwächter. Das bestätigte die Sprecherin eines Moskauer Gerichts am Donnerstag russischen Agenturen. Verteidigung und Bürgerrechtler werfen Syrowa einseitige Prozessführung und schwerwiegende Rechtsverstöße vor. Das Verfahren gegen drei junge Frauen nach einer kremlkritischen Aktion in einer Kirche sei politisch gesteuert. Den Künstlerinnen, von denen zwei Mütter kleiner Kinder sind, droht wegen Rowdytums aus religiösem Hass eine mehrjährige Haftstrafe.

Wie auch immer das Urteil am Freitag ausfallen wird – Russlands Präsident Wladimir Putin hat bereits klargemacht, dass er in seiner dritten Amtszeit seine Gegner hart anfassen wird. Allein schon die Anklage gegen die drei jungen Musikerinnen – die nach Einschätzung vieler Beobachter vom Kreml angeordnet wurde – hat weltweit für Ernüchterung gesorgt. Denn es gab in westlichen Ländern und bei der russischen Opposition durchaus Hoffnungen, in der neuen Amtszeit des Ex-KGB-Offiziers Putin könne es mehr politische Freiheiten und eine unabhängigere Justiz geben.

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Dabei ist keineswegs klar, ob Putin auf lange Sicht von einer Politik der harten Hand profitieren wird. Nach Meinung mancher Beobachter hat er zumindest den Fall Pussy Riot falsch eingeschätzt: Fällt das Urteil gegen die Musikerinnen hart aus, könnten vor allem viele junge Russen desillusioniert in die Arme der Opposition laufen und die Kreml-Kritiker radikalisieren. Fällt es hingegen weich aus, könnte das die Führer der mächtigen russisch-orthodoxen Kirche verärgern, die auf Putin setzt.

Die drei Frauen im Alter von 22, 24 und 30 Jahren hatten im Februar die Christ-Erlöser-Kathedrale der russisch-orthodoxen Kirche gestürmt – das größte Gotteshaus in Moskau, das die Gläubigen als heiligen Ort verehren. In einem brachialen Kurzauftritt mit Sturmhauben und kurzen Röcken hatten sie die Jungfrau Maria um Erlösung von Putin angerufen. Damit wollten sie nach eigenen Angaben gegen die Unterstützung der Regierung durch die orthodoxe Kirche protestieren.

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Viele Gläubige sympathisierten nicht mit der Aktion, die Kirchenführung reagierte empört. Die drei Musikerinnen wurden wegen religiös motivierten Rowdytums angeklagt. Die Staatsanwaltschaft hat drei Jahre Haft gefordert und blieb damit unter den Höchststrafe von sieben Jahren. Zwei der Frauen haben kleine Kinder. Eine Verkündung des Strafmaßes wird für Freitagabend erwartet.

Egal wie das Urteil ausgeht, die flüchtigen Mitglieder von „Pussy Cat“ wollen ihren Protest fortsetzen. „Es ist hart für uns, ohne sie zu sein. Wir spüren das, aber es bedeutet für uns nur eins: Wir müssen noch stärker werden, vielleicht auch noch dreister“, sagte ein Mitglied der Nachrichtenagentur Reuters in einem Interview diese Woche. „Jetzt gibt es sehr viele Pussy Riots überall auf der Welt, Menschen die eine Sturmmaske aufziehen und uns unterstützen“, sagte ein anderes Bandmitglied. „Die Idee hinter Pussy Riot ist es, dass man uns gar nicht alle einsperren kann und wir immer mehr und mehr werden.“

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Musiker wie Sting, Madonna oder die Red Hot Chili Peppers haben sich besorgt über den Prozess gezeigt, Amnesty International forderte die Freilassung der Frauen. In Deutschland haben 121 Abgeordnete aller Bundestagsparteien in einem Brief an den russischen Botschafter in Berlin gegen eine drohende Haft protestiert. Auch die USA äußerten sich kritisch.

Putin selbst hatte sich vor zwei Wochen eingeschaltet und eine nicht zu harte Strafe gefordert. Für das liberale russische Magazin „New Times“ ist das Image des Präsident dennoch auf einem Tiefpunkt. Weder der Krieg mit Georgien 2008 noch die Haftstrafe gegen den einstigen Öl-Magnaten Michail Chodorkowsky 2003 oder die erzwungene Aufspaltung des Yukos-Ölkonzerns hätten dessen Bild in der Welt so sehr geschadet wie dieser Prozess.

Zwar hat Putin erklärt, es sei Sache des Gerichts, über die Anklage zu befinden. In Moskau glauben das aber nur wenige. „Das Urteil wird sicher nicht im Gerichtssaal gefällt“, sagt etwa Masha Lipman vom Carnegie Moscow Center. „Wie in jedem anderen politisch wichtigen Fall in Russland fällt die Entscheidung woanders.“ Das indes wären schlechte Nachrichten auch für ausländische Investoren in Russland. Denn für diese sind eine unabhängige Justiz und die Einhaltung von Gesetzen elementare Bestandteile eines sicheren Umfelds für Geldanlagen.

Mit Material von dpa und rtr