Die massive Kritik an russischer Parlamentswahl dauert an. Regierungsgegner kündigen Straßenproteste gegen die offiziellen Ergebnisse an. Geeintes Russland erleidet zwar Stimmverluste, behält aber absolute Mehrheit der Sitze.

Moskau. Die heftige Kritik an der Wahl des neuen russischen Parlaments dauert an. Massive Fälschungsvorwürfe, internationale Kritik und Proteste der Regierungsgegner werden auch am Montag laut. Die Bundesregierung zeigte sich "sehr besorgt“ über den Ablauf der Wahl vom Sonntag, bei der die Partei von Regierungschef Wladimir Putin trotz Stimmenverlusten die absolute Mehrheit der Sitze errang. Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kritisierten die Abstimmung als unfair. Wahlverlierer und Regierungsgegner kündigten weitere Straßenproteste gegen die offiziellen Ergebnisse an. Die Führung in Moskau wies die Vorwürfe zurück.

Die Putin-Partei wurde am Tag nach der Wahl offiziell zum Sieger ernannt: Geeintes Russland verliert zwar nach amtlichen Angaben die verfassungsgebende Zweidrittelmehrheit, kann aber auch künftig allein in der Staatsduma regieren.

Die Abstimmung sei „ehrlich, gerecht und demokratisch“ verlaufen, verkündete Kremlchef Dmitri Medwedew am Montag nach Angaben der Agentur Interfax. Hingegen beklagten internationale Wahlbeobachter sowie Menschenrechtler und die Opposition tausende Verstöße bei der Wahl. Im Internet waren zahlreiche Videos zu sehen, die angebliche Fälschungen dokumentierten. Unterdessen feierten im Moskauer Stadtzentrum etwa 7000 Mitglieder der Kremljugend den Wahlsieg.

Die OSZE kritisierte insbesondere die Nichtzulassung einzelner Oppositionsparteien. Es habe Unregelmäßigkeiten bei der Stimmenauszählung sowie Manipulationen bei der Abstimmung selbst gegeben, teilte die Organisation in Moskau mit. Der stellvertretende Sprecher der Bundesregierung, Georg Streiter, forderte in Berlin, alle Vorwürfe müssten „befriedigend aufgeklärt“ werden.

+++ 47,3 Prozent für Putin-Partei, 200 Protestler festgenommen +++

Nach Angaben der zentralen Wahlkommission kam Geeintes Russland auf knapp 50 Prozent der Stimmen. Die Kremlpartei erhalte damit 238 der 450 Sitze in der Staatsduma, sagte Wahlleiter Wladimir Tschurow in Moskau. Die Putin-Partei blieb aber deutlich hinter ihrem Ergebnis von 2007 zurück, als ihr 64,3 Prozent zugesprochen worden waren. Die Abstimmung galt als Stimmungstest für die Präsidentenwahl am 4. März 2012. Dann will sich Putin, der bereits von 2000 bis 2008 Staatschef war, wieder in den Kreml wählen lassen. Medwedew soll Ministerpräsident werden.

Auch die Grünen-Bundesabgeordnete Marieluise Beck prangerte als unabhängige Wahlbeobachterin „Verzerrungen und Manipulationen“ an. „Es hat viel Chaos gegeben“, sagte Beck der Nachrichtenagentur dpa in Moskau. Die Kommunistische Partei kündigte mehrere Klagen wegen schweren Wahlbetrugs an.

Im neuen Parlament sind nach Angaben von Wahlleiter Tschurow alle vier bisherigen Parteien vertreten. Die zweitplatzierten Kommunisten kamen gegen Ende der Auszählung auf 19,16 Prozent der Stimmen und 92 Sitze, Gerechtes Russland auf 13,22 Prozent (64 Sitze) und die ultranationalistische Liberaldemokratische Partei von Wladimir Schirinowski auf 11,66 Prozent (56 Sitze).

Die liberale Oppositionspartei Jabloko, die nach offiziellen Angaben deutlich an der Sieben-Prozent-Hürde scheiterte, will angesichts massiver Fälschungsvorwürfe das Ergebnis der Abstimmung nicht anerkennen. Die linkskonservative Partei Gerechtes Russland sprach von massiver Fälschung der Wahlprotokolle zugunsten der Putin-Partei. „Wir werden auf die Straße gehen“, kündigte Fraktionschef Sergej Mironow an.

Im Internet riefen auch von der Wahl ausgeschlossene Kremlgegner zu Straßenprotesten auf. Am Wahltag waren nach jüngsten Angaben etwa 300 Menschen bei nicht genehmigten Kundgebungen festgenommen worden. Auch am Montag waren nach einer bisher einmaligen Cyberattacke einige unabhängige Internetseiten weiter blockiert.

Die Wahlbeteiligung wurde mit 60,2 Prozent angegeben. Zur Wahl der Staatsduma waren am Sonntag rund 110 Millionen Bürger aufgerufen gewesen.