Vor der Parlamentswahl setzt sich Regierungschef Putin vor allem gern selbst in Szene. Echte Themen gibt es kaum. Aber die “Show“ zieht nicht immer.

Moskau. Buhrufe und Pfiffe für Wladimir Putin, den angeblich beliebtesten Politiker Russlands? Der 59-Jährige schien selbst kurz aus dem Konzept zu kommen, als im Olympiski-Halle in Moskau viele Sportfans ihren Unmut über den Auftritt des Politikers lautstark kundtaten. Die 22.000 Zuschauer wollten am Sonntag lieber blutigen Kampfsport sehen - und nicht den ohnehin im Staatsfernsehen dauerpräsenten Putin. Doch zwei Wochen vor der Parlamentswahl gibt es nicht einmal beim Sport ein Entrinnen von der „Putin-Show“.

Das erste Mal überhaupt sei Putin öffentlich ausgepfiffen worden, betonte der Radiosender Echo Moskwy am Montag. Das mag für Russland stimmen. Doch zuletzt musste Putin schon auf internationaler Bühne eine Ohrfeige hinnehmen, als in Deutschland nach Kritik an ihm die geplante Verleihung des „Quadriga“-Preises platzte. Putin sah sich einmal mehr dem Vorwurf ausgesetzt, in seinem Land Korruption und Beamtenwillkür zu fördern und Menschenrechtsverstöße zuzulassen.

In Russland wagte es bisher kaum jemand öffentlich, Putin die Stirn zu zeigen. Für Putin-Kritiker gibt es immer wieder Demonstrationsverbote. Wohl auch deshalb dauerte es im Stadion einen Moment, bis der von öffentlicher Zustimmung verwöhnte Putin die Fassung wiederfand. Der Sprecher der Föderation des professionellen Boxens in Russland, Andrej Basdrjow, bestätigte beim Radiosender Echo Moskwy, dass die Buhrufe tatsächlich Putin gegolten haben müssen. Putins Gefolgschaft bestritt das allerdings prompt.

Doch aus Sicht vieler Beobachter zeigte dieser Spontanprotest in für russische Verhältnisse ungewohnter Klarheit, dass Putin seinen „Heiligenschein“ verloren habe. Umfragen sehen seine Popularitätswerte im freien Fall, auch wenn sie weiter über denen anderer Politiker liegen. Vielen Befragten falle auch zunehmender Personenkult um Putin wie zu Sowjetzeiten auf, stellte das Meinungsforschungszentrum Lewada fest.

„Das ist das Ende einer Epoche“, ätzte der kremlkritische Anwalt und Internetblogger Alexej Nawalny. Der Vorfall beweise, dass Putins geplante Rückkehr 2012 als Präsident in den Kreml auf wenig Gegenliebe stoße. „Interessant, dass Putin im Stadion dachte, dass die Liebhaber von Kampfsport automatisch auch Diebe und Gauner mögen“, meinte Nawalny. Als „Diebe und Gauner“ sind die Mitglieder der von Putin geführten Partei Geeintes Russland verschrien.

Mit harten Bandagen kämpft die Kremlpartei um Stimmen bei dem Urnengang am 4. Dezember. Während Journalisten hinter vorgehaltener Hand beklagen, dass sie für Reportagen kaum Freiwillige finden, die sich zur Putin-Partei bekennen, gibt sich Geeintes Russland siegessicher. Im Internet berichten Bürger immer wieder davon, wie die Partei Stimmen kaufe und gegen andere Wahlgesetze verstoße.

„Unsere Regierung weiß, wen sie kaufen kann und wer käuflich ist“, teilte die angesehene Filmschauspielerin Lija Achedschakowa mit. Russlands Intelligenz habe die Arroganz der Machthaber satt. Putin und sein Lager hätten die Macht derart konzentriert, dass auf Dauer „interessante, fähige und vertrauenswürdige Leute“ keine Chance hätten. „Das macht die Lage so hoffnungslos“, sagte Achedschakowa in einer Videobotschaft. Doch dies sind Debatten aus dem Internet, das längst nicht alle nutzen.

Als wichtigstes Informationsmedium im russischen Wahlkampf gilt weiter das vom Staat kontrollierte Fernsehen. Wohl auch deshalb regelte der TV-Sender Rossija-2 bei seinem Bericht über Putins Auftritt in der Sportarena den Ton mit den Buhrufen und Pfiffen herunter. Diese Emotionen hätten nicht Putin gegolten, sondern dem Verlierer des Kampfes, dem US-Kämpfer Jeff Monson. Als Putin den Ring nach seiner kurzen Rede wieder verließ, brandete für den als Helden gefeierten Sieger Fjodor Jemeljanenko echter Jubel auf.

Putin trainiert mit Eishockey-Legenden

Vor seinem Besuch im Boxring zeigte sich der Regierungschef auch als neuer Kufen-Crack in Russland: Wladimir Putin hat bei einem Eishockey-Training mit ehemaligen Spielern als Torschütze geglänzt. Bei dem Training im rot-blauen Nationaltrikot mit der Nummer Elf hörte Putin zwei Wochen vor der Parlamentswahl auf das Kommando von Auswahltrainer Sinetula Biljaletdinow. An der Übungseinheit in Moskau nahmen mehrere Eishockey-Legenden teil wie der frühere NHL-Star Pawel Bure und ZSKA-Präsident Wjatscheslaw Fetissow. Putin, der im März 2012 in den Kreml zurückkehren will, zeigt sich in der Öffentlichkeit immer wieder werbewirksam als Sportler.