Manipulationsvorwürfe haben die Wahl in Moskau begleitet. OSZE: Die Wahl war nicht fair und wurde zugunsten der Putin-Partei manipuliert.

Moskau. Die Parlamentswahl in Russland ist nach Erkenntnissen internationaler Beobachter unfair zugunsten der Partei von Ministerpräsident Wladimir Putin manipuliert worden. Der Wahlkampf sei durch „begrenzten politischen Wettbewerb und einen Mangel an Fairness“ geprägt gewesen, erklärten Experten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und der Parlamentarischen Versammlung des Europarats am Montag. Bei der Stimmenauszählung seien wiederholt die Vorschriften verletzt worden. Zudem habe es Fälle von Manipulationen, darunter auch von Wahlurnen gegeben.

Die Putin-Partei Einiges Russland hatte bei der Duma-Wahl trotz schwerer Stimmenverluste die absolute Mehrheit der Mandate gewonnen. Die Abstimmung galt als Startschuss für den geplanten Ämtertausch zwischen Putin und Präsident Dmitri Medwedew.

Die Bundesregierung äußerte sich besorgt über die Manipulationsvorwürfe. Sie zeugten von einem wenig souveränen Umgang mit der Demokratie, sagte ein Regierungssprecher in Berlin.

Bei den Parlamentswahlen in Russland hat Ministerpräsident Wladimir Putin eine herbe Wahlschlappe erlitten. Nach der Auszählung in etwa 96 Prozent der Wahlbezirke lag Einiges Russland am Montagmorgen bei 49,5 Prozent der Stimmen. Bislang verfügte die Kreml-Partei über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament.

Die Regierungspartei dürfte seine Mehrheit in der Duma dennoch behalten und Putins Sieg bei der Präsidentschaftswahl im März scheint außer Frage, doch die Abstimmung am Sonntag hat Putins sorgsam aufgebautem Image des starken Mannes geschadet. Die Öffentlichkeit ist zunehmend frustriert angesichts fehlender politischer Alternativen, der allgegenwärtigen Korruption und der Kluft zwischen Arm und Reich.

Am späten Sonntagabend gab sich Putin noch zuversichtlich. „Wir können mit diesem Ergebnis eine stabile Entwicklung des Landes gewährleisten“, sagte er. Das Endergebnis wurde noch am Montag erwartet. Der Leiter der Wahlkommission, Wladimir Tschurow, schätzte, dass Einiges Russland 238 der 450 Sitze in der Duma erhalten wird. Das wäre ein deutlicher Verlust gegenüber der letzten Wahl, wo die Regierungspartei noch die für Verfassungsänderungen im Alleingang notwendige Zweidrittelmehrheit erzielte.

+++ 47,3 Prozent für Putin-Partei, 200 Protestler festgenommen +++

Die Abstimmung am Sonntag wurde von Manipulationsvorwürfen begleitet. Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei (KP), Gennadi Sjuganow, sagte, Beobachter seiner Organisation hätten in Moskau eine mit 300 Stimmzetteln gefüllte Wahlurne entdeckt, bevor die Wahllokale überhaupt geöffnet hatten.

Sjuganow sagte, ähnliche Zwischenfälle mit präparierten Wahlurnen hätten KP-Beobachter aus Rostow am Don und anderen Städten gemeldet. Aus Wladiwostok berichteten Wähler, dass die Regierungspartei kostenloses Essen gegen das Versprechen angeboten habe, für sie zu stimmen.

Der frühere Ministerpräsident Michail Kasjanow erhob unterdessen schwere Vorwürfe gegen seinen einstigen Vorgesetzten Putin. „Es ist absolut klar, dass es keine richtige Auszählung gibt“, sagte er am Sonntag. „Die Behörden haben ein Imitat von freien Wahlen geschaffen. Das ist keine Wahl und sie ist nicht frei.“

In Moskau wurden mehrere Journalisten, darunter ein Fotograf der Nachrichtenagentur AP, kurzzeitig festgenommen, nachdem sie Fotos von einem Wahllokal gemacht hatten. Bei einer Protestkundgebung der Oppositionsgruppe Linke Front auf dem Roten Platz nahm die Polizei rund ein Dutzend Aktivisten fest. Auf einem anderen Moskauer Platz seien am Sonntag über 100 Demonstranten festgenommen worden, teilte die Polizei mit. Weitere 70 Demonstranten hätten die Sicherheitskräfte in St. Petersburg in Gewahrsam genommen.

Die einzige unabhängige russische Wahlbeobachtergruppe Golos berichtete, in der Wolga-Stadt Samara seien Beobachter und Mitglieder der Wahlkommission daran gehindert worden, die Versiegelung von Wahlurnen zu überprüfen.

Von Manipulationen betroffen seien insbesondere Briefwahlstimmen. Golos-Direktorin Lilija Schibanowa sagte, Personen mit Briefwahlunterlagen seien mit Bussen zu mehreren Wahllokalen gefahren worden. In einem Zwischenbericht der Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hieß es: „Die meisten Parteien haben einen Mangel an Vertrauen in die Fairness des Wahlprozesses ausgedrückt.“

Die Kreml-kritischsten Oppositionsparteien durften keine Kandidaten ins Rennen schicken, insgesamt wurden nur von sieben Parteien Kandidaten zugelassen. Unabhängige Wahlbeobachter der Nichtregierungsorganisation Golos dokumentierten mehr als 5.300 Wählerbeschwerden, die sich zumeist auf Einiges Russland bezogen.

Am Wahltag waren die Internetseiten des unabhängigen Rundfunksenders Echo Moskwi und Golos nicht erreichbar. „Der Angriff auf die Seite am Wahltag steht offensichtlich in Zusammenhang mit Versuchen, die Veröffentlichung von Informationen über Verstöße zu behindern“, twitterte der Chefredakteur des Moskauer Echos, Alexej Wenediktow.

Putin braucht einen Erfolg bei der Parlamentswahl, um den Weg für seine Rückkehr ins Präsidentenamt zu ebnen. 2008 musste Putin laut Verfassung nach zwei Amtszeiten als Präsident zurücktreten. Gleichzeitig installierte er Dmitri Medwedew als Nachfolger, der in einem viel kritisierten Postentausch nach den Präsidentschaftswahlen am 4. März 2012 wieder Regierungschef werden soll. (dapd)