Auf dem Tahrir-Platz gehen die Proteste gegen den Militärrat auch am Sonntag weiter. Kabinett will heute zu einer Krisensitzung zusammenkommen.

Kairo. Ägypten wird von einer neuen Welle der Gewalt erfasst: Bei den heftigsten Krawallen seit dem Sturz des Machthabers Husni Mubarak sind drei Menschen getötet und mindestens 750 verletzt worden. Unter den Verletzten sollen nach Angaben des Staatsfernsehens auch 40 Polizisten sein. Ein 23-jähriger Mann kam nach Angaben des Gesundheitsministeriums bei den Ausschreitungen zwischen Polizei und Demonstranten am zentralen Tahrir-Platz in Kairo ums Leben. In Alexandria starben während der Proteste gegen den regierenden Militärrat am frühen Sonntagmorgen laut staatlicher Nachrichtenagentur Mena zwei Menschen. Augenzeugen berichteten der ägyptischen Zeitung "Al Ahram“, dass die beiden Demonstranten ums Leben kamen, als Scharfschützen auf die Protestierenden feuerten.

In Kairo kam es auch am Sonntag zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten. Die Beamten setzten wie schon am Sonnabend Tränengas gegen tausende Menschen ein, die in und um den Tahrir-Platz gegen den regierenden Militärrat protestierten. Die Demonstranten bewarfen die Polizei mit Steinen.

Wie Regierungsvertreter sagten, will das Kabinett am Sonntag zu einer Krisensitzung zusammenkommen, um über die aktuelle Entwicklung gut eine Woche vor den Wahlen zu beraten. Hunderte Menschen harrten noch am Sonntagmorgen auf dem Tahrir-Platz aus, um ihren Protest fortzusetzen.

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Auslöser der jüngsten Unruhen war der Polizeieinsatz gegen ein am Freitag aufgebautes Zeltlager von rund 100 Aktivisten, die auf dem Tahrir-Platz gegen den Militärrat demonstrierten. Die Nachricht der Räumung verbreitete sich rasend schnell, rund 5000 Demonstranten kehrten zu dem Platz zurück. Einige von ihnen warfen Steine auf die Polizisten und zündeten Autos an. Die Sicherheitskräfte setzten Gummigeschosse sowie Tränengas ein und riegelten Straßen ab. Die Sitzblockaden wurden aufgelöst, dem Staatsfernsehen zufolge wurden 18 "Unruhestifter“ festgenommen. Beobachter befürchten, dass die Unruhen einen Schatten auf die am 28. November beginnenden Parlamentswahlen werfen könnten.

Die Demonstranten fordern eine schnelle Machtübergabe der Militärs an eine zivile Regierung. Am Freitag hatten rund 50.000 Ägypter - hauptsächlich Islamisten - in Kairo gegen eine im Verfassungsentwurf der Regierung enthaltene Bestimmung protestiert, die Streitkräfte auch künftig der parlamentarischen Kontrolle zu entziehen. Zudem verlangten die Demonstranten bis April 2012 die Wahl eines Präsidenten.

Die Stimmung auf dem Tahrir-Platz im Zentrum Kairos erinnerte an den Volksaufstand, der den langjährigen Präsidenten Mubarak im März aus dem Amt gefegt hatte. An den Protesten nahmen neben Anhängern islamistischer Parteien und Organisationen auch liberale Gruppierungen teil.

Mit Material von dpa, rtr und dapd