Als Favoriten auf den Friedensnobelpreis gelten die Initiatoren des „Arabischen Frühlings“, aber auch die EU ist im Gespräch.

Oslo. Vor zwei Jahren der frische US-Hoffnungsträger Barack Obama, dann der inhaftierte chinesische Oppositionelle Liu Xiaobo – und jetzt die ganz jungen Initiatoren der arabischen Revolutionen? Der diesjährige Friedensnobelpreis wird an diesem Freitag in Oslo vergeben (11.00 Uhr MESZ). Fast alle Spekulationen gehen in Richtung Ägypten, Tunesien oder andere nordafrikanische Länder nach den atemberaubenden Umbrüchen dieses Jahres.

In den Wochen vor der Vergabe waren sich die Beobachter und Nobel-Orakel in der norwegischen Hauptstadt so einig wie schon lange nicht: Die Erfolge bei den friedlich errungenen Siegen in arabischen Ländern würden geradezu nach dem diesjährigen Preis „schreien“. Neben der Bewegung 6. April in Ägypten kursierten vor allem die Namen von deren Gründerin Esraa Abdel Fattah sowie des Facebook-Aktivisten Wael Ghonim oder der tunesischen Bloggerin Lina Ben Mhenni.

Aber dann meldete sich Mitte der Woche der Nobelkomitee-Chef Thorbjörn Jagland in einem Interview mit der Nachrichtenagentur NTB zu Wort: Die heimischen Medien hätten nicht gut genug aufgepasst, was im abgelaufenen Jahr tatsächlich an Relevantem, sprich Nobelpreiswürdigem, gelaufen sei. Weiter meinte der Sozialdemokrat, Ex-Ministerpräsident und jetzige Generalsekretär des Europarates aus Straßburg: „Wenn man die wirklich internationalen Medien verfolgt, liegt die Sache doch klar auf der Hand.“

Kaum hatte Jagland diesen bewusst kryptischen Satz zu Protokoll gegeben, nahmen die Spekulationen eine neue Wende: Das passe doch genau auf die EU und ihren gemeinsamen Kampf zur Überwindung der Finanzkrise. Seit vielen Jahren schon wird im Zusammenhang damit auch immer sofort der Name von Altbundeskanzler Helmut Kohl genannt. Als personifiziertes Symbol für das „erfolgreiche Friedensprojekt“ EU.

„Es ist ja bekannt, dass Jagland vor seiner Zeit im Komitee immer wieder öffentlich den Friedensnobelpreis für die EU verlangt hat“, sagt Kristian Berg Harpviken vom Osloer Friedensforschungsinstitut PRIO. Harpviken gilt als einer der kompetentesten „Tipper“ vor den Nobelpreis-Vergaben.

Eine Entscheidung für die EU erscheint ihm möglich, die für Kohl dagegen als sehr unwahrscheinlich: „Er wäre zwar das richtige Gesicht für europäische Friedensbemühungen. Aber seine Zeit liegt doch schon zu weit zurück.“ Es sei „einfach jetzt die klare Komiteelinie, aktuelle Anstrengungen zu belohnen und damit auch ihre Chancen für die Zukunft konkret zu zu verbessern“.

Aus Harpvikens Sicht könnte das für eine mögliche Vergabe an die russische Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina und die Menschenrechtsorganisation Memorial sprechen: Nächstes Jahr sind Präsidentschaftswahlen in Russland, und der demokratischen Opposition dort könne man mit dem weltweit angesehenen Preis helfen.

Dotiert ist der Friedensnobelpreis mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro (zehn Mio schwedische Kronen). Überreicht wird er traditionsgemäß am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896).