Londoner High Court weist Berufung Julian Assanges ab. Großbritannien darf den der Vergewaltigung verdächtigten Australier ausliefern.

London. Nach dem Pleite-Eingeständnis seiner Internet-Enthüllungsplattform die nächste Hiobsbotschaft für Julian Assange: Der Wikileaks-Gründer darf von Großbritannien an Schweden ausgeliefert werden. Das hat der Londoner High Court am Mittwoch in zweiter Instanz entschieden. Das Gericht verwarf damit eine Berufung von Assange. Dem Australier werden in dem skandinavischen Land Sexualstraftaten vorgeworfen. Assange hat eine weitere Berufungsmöglichkeit zum Supreme Court. Sollte er diese nicht wahrnehmen, könnte er binnen 14 Tagen nach Schweden geflogen werden.

Bereits im Februar hatte ein britisches Gericht in erster Instanz entschieden, dass Assange wegen der Vorwürfe der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung ausgeliefert werden sollte. Dagegen hatte sein Anwalt Berufung eingelegt. Assange hat die Vorwürfe zurückgewiesen und spricht von einer politisch motivierten Intrige. Assange befürchtet einen Komplott und seine Auslieferung in die USA. Wikileaks hatte kurz vor der Anklage zahlreiche geheime US-Akten zum Krieg in Afghanistan öffentlich gemacht.

Assange wurde am 7. Dezember in Großbritannien festgenommen, nachdem er sich wegen der aus dem Sommer 2010 stammenden schwedischen Vorwürfe der Polizei gestellt hatte. Nach einem kurzen Aufenthalt im Gefängnis lebt er derzeit im Haus eines Anhängers im Osten Englands und steht unter strenger polizeilicher Überwachung. Der 40-Jährige soll im August 2010 Sex mit zwei Frauen gehabt haben. Ohne die Einwilligung der Frauen soll der Geschlechtsverkehr ungeschützt gewesen sein. Das kann in Schweden als Vergewaltigung gewertet werden. Der Wikileaks-Gründer argumentiert, es gebe bisher keine Anklage gegen ihn in Schweden. Der EU-weite Haftbefehl zu seiner Auslieferung sei nur erwirkt worden, um ihn zu einer Befragung nach Schweden zu holen. Dies sei nicht rechtens.

Chronologie im Fall Assange:

Juli 2010: Wikileaks veröffentlicht im "Afghanischen Kriegstagebuch“ über 70.000 Dokumente über den Krieg der Alliierten am Hindukusch.

August 2010: Die Stockholmer Staatsanwaltschaft erlässt Haftbefehl wegen Verdachts der Vergewaltigung. Zwei Frauen hatten sich mit entsprechenden Vorwürfen gemeldet. Assange spricht von einer Verleumdungskampagne. Nach wenigen Stunden hebt die Behörde den Befehl wieder auf, ermittelt aber weiter. Mehrere Staatsanwälte sorgen mit verschiedenen Bewertungen des Falls für Verwirrung.

Oktober 2010: Im "Tagebuch des Irak-Krieges“ veröffentlicht Wikileaks fast 400.000 Geheimdokumente.

November 2010: Schwedens Justiz stellt erneut einen Haftbefehl aus. Es gilt als sicher, dass sich der Gesuchte in England aufhält. Ein EU-weiter Haftbefehl scheitert zunächst an einem Formfehler. Schweden bessert nach, die britische Polizei verhaftet Assange.

November: Mit der Veröffentlichung von mehr als 250.000 vertraulichen Informationen aus US-Botschaften sorgt Wikileaks erneut für Aufsehen.

Dezember 2010: Assange wird nach zwei Wochen Untersuchungshaft gegen eine Kaution von umgerechnet 288.000 Euro entlassen, muss aber im Hausarrest eine elektronische Fußfessel tragen. Das Tauziehen um die Auslieferung beginnt. Assange befürchtet nach einer Überstellung nach Schweden eine Auslieferung oder "illegale Verschleppung“ in die USA. Dort seien weder Folter noch Todesstrafe ausgeschlossen.

24. Februar 2011: Der Belmarsh Magistrates Court im Süden Londons gibt dem Auslieferungsbegehren nach Schweden statt. Assange wehrt sich und strengt ein Berufungsverfahren vor dem High Court an.

2. November 2011: Assange verliert auch vor dem High Court.

Mit Material von dpa und dapd