Der unter Vergewaltigungsverdacht stehende Wikileaks-Gründer Julian Assange darf laut Gerichtsurteil von Großbritannien an Schweden ausgeliefert werden. Das entschied der High Court in London am MIttwoch und wies damit die Berufung des 40-jährigen Australiers ab. Assange hat nun 14 Tage Zeit, um vor dem Supreme Court Einspruch einzulegen. Ansonsten wird er nach Schweden geflogen.

London. Wikileaks-Gründer Julian Assange darf nach Ansicht eines britischen Gerichtes nach Schweden ausgeliefert werden, wo er sich Vorwürfen der Vergewaltigung und der sexuellen Belästigung stellen soll. Die Richter des High Court in London wiesen am Mittwoch einen Einspruch Assanges gegen seine Überstellung nach Schweden ab. Zunächst war unklar, ob der Gründer der Internet-Enthüllungsplattform seine Berufung bis zum Obersten Gerichtshof würde tragen können.

Assange, der zur Urteilsverkündung am Mittwoch anwesend war, war am 7. Dezember in Großbritannien festgenommen worden, nachdem er sich wegen der aus dem Sommer 2010 stammenden schwedischen Vorwürfe der Polizei gestellt hatte. Nach einem kurzen Aufenthalt im Gefängnis lebt er derzeit im Haus eines Anhängers im Osten Englands und steht unter strenger polizeilicher Überwachung. Er streitet die Vorwürfe gegen ihn ab und hat den Fall gegen ihn mehrfach als politisch motiviert bezeichnet.

Die Behörden in Schweden gehen Vorwürfen nach, Assange habe zwei Freiwillige in seiner Organisation vergewaltigt und sexuell belästigt. Die Anwälte von Assange haben die Vorwürfe zurückgewiesen. Es habe sich um einvernehmlichen Sex gehandelt, zudem sei das Auslieferungsbegehren rechtlich fragwürdig.

Assange hat nun zwei Wochen Zeit, um vor dem Supreme Court Einspruch gegen die neue Entscheidung einzureichen. Sollte er diese nicht wahrnehmen, könnte er binnen 14 Tagen nach Schweden geflogen werden.

Assange hat auch den Zorn der US-Regierung auf sich gezogen, weil in dem Enthüllungsportal Hunderttausende amerikanische Geheimdienstdokumente zum Krieg in Afghanistan veröffentlicht wurden. Assange befürchtet einen Komplott und seine Auslieferung in die USA, wo er fürchten müsse, wegen der Veröffentlichung der Geheimdokumente zum Tode verurteilt zu werden.

Zwei Schwedinnen belasten Assange schwer

Ausgangspunkt der Ermittlungen in Schweden sind Aussagen von zwei Schwedinnen, Frau A. und Frau W.. Demnach gab Frau A. an, Assange habe versucht, mit ihr am 14. August 2010 Sex ohne Kondom zu haben. Schließlich habe er aber doch ein Präservativ verwendet und beide hätten in beiderseitigem Einverständnis Sex gehabt. Frau A. zufolge sei das Kondom jedoch kaputt gegangen oder von Assange aufgerissen worden. Am 18. August soll sich Assange Frau A. zufolge zudem vor ihr entblößt und an ihr gerieben haben. Die schwedischen Behörden sehen darin eine vorsätzliche Belästigung.

Frau W. sagte aus, sie habe am 17. August mit Assange Sex gehabt. Beide seien damit einverstanden gewesen. Assange habe zunächst ein Kondom benutzt. Später habe er jedoch ungeschützten Sex mit ihr gehabt, als sie geschlafen habe. Frau W.s Bruder hat ausgesagt, seine Schwester habe sich zunächst nicht an die Behörden wenden wollen, wenn Assange sich auf Geschlechtskrankheiten testen lasse. Ein Freund der beiden Frauen sagte zudem aus, diese hätten zunächst keine Anklage von Assange beabsichtigt.

Es soll nach Angaben von Assanges Anwälten SMS-Mitteilungen geben, die die Darstellungen der Frauen fragwürdig erscheinen ließen. Darin hätten sie Interesse gezeigt, sich von einer Boulevard-Zeitung bezahlen zu lassen. Assange hat die Vorwürfe als Schmutzkampagne zurückgewiesen. Die schwedischen Behörden und Personen aus dem Umfeld der beiden Frauen weisen das wiederum zurück: Die Vorwürfe seien nicht politisch motiviert und niemand, insbesondere nicht die US-Regierung, hätten Druck auf sie ausgeübt oder sie in irgendeiner Weise beeinflusst.

Die schwedischen Behörden haben von sexueller Nötigung, sexueller Belästigung und Vergewaltigung gesprochen. Der Vergewaltigungsvorwurf unterteilt sich im schwedischen Recht in drei Stufen, was die Schwere der Tat angeht. Die niedrigste trifft auf die Vorwürfe zu, denen sich Assange ausgesetzt sieht. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm bis zu vier Jahre Gefängnis.

Chronologie im Fall Assange:

Juli 2010: Wikileaks veröffentlicht im "Afghanischen Kriegstagebuch“ über 70.000 Dokumente über den Krieg der Alliierten am Hindukusch.

August 2010: Die Stockholmer Staatsanwaltschaft erlässt Haftbefehl wegen Verdachts der Vergewaltigung. Zwei Frauen hatten sich mit entsprechenden Vorwürfen gemeldet. Assange spricht von einer Verleumdungskampagne. Nach wenigen Stunden hebt die Behörde den Befehl wieder auf, ermittelt aber weiter. Mehrere Staatsanwälte sorgen mit verschiedenen Bewertungen des Falls für Verwirrung.

Oktober 2010: Im "Tagebuch des Irak-Krieges“ veröffentlicht Wikileaks fast 400.000 Geheimdokumente.

November 2010: Schwedens Justiz stellt erneut einen Haftbefehl aus. Es gilt als sicher, dass sich der Gesuchte in England aufhält. Ein EU-weiter Haftbefehl scheitert zunächst an einem Formfehler. Schweden bessert nach, die britische Polizei verhaftet Assange.

November: Mit der Veröffentlichung von mehr als 250.000 vertraulichen Informationen aus US-Botschaften sorgt Wikileaks erneut für Aufsehen.

Dezember 2010: Assange wird nach zwei Wochen Untersuchungshaft gegen eine Kaution von umgerechnet 288.000 Euro entlassen, muss aber im Hausarrest eine elektronische Fußfessel tragen. Das Tauziehen um die Auslieferung beginnt. Assange befürchtet nach einer Überstellung nach Schweden eine Auslieferung oder "illegale Verschleppung“ in die USA. Dort seien weder Folter noch Todesstrafe ausgeschlossen.

24. Februar 2011: Der Belmarsh Magistrates Court im Süden Londons gibt dem Auslieferungsbegehren nach Schweden statt. Assange wehrt sich und strengt ein Berufungsverfahren vor dem High Court an.

2. November 2011: Assange verliert auch vor dem High Court.

Mit Material von dpa ,rtr und dapd