Die Opposition hat Antrag auf ein Misstrauensvotum gegen Berlusconi eingereicht. Das Mitte-Rechts Lager denkt über die Zeit nach ihm nach.

Rom. Er liebt die feuchtfröhlichen Partys mit attraktiven jungen Frauen, der Milliardär aus Mailand. Auch das Bad in der Menge machte ihm immer Spaß, und man kannte ihn als agilen Kommunikator mit einem merkwürdigen Hang zu verbalen Entgleisungen. Doch in der Regierungskrise Italiens wird es jetzt einsam um Silvio Berlusconi. Der 74-jährige Ministerpräsident und Milliardär sieht seinem Sturz auf Raten entgegen. Die nächsten Kapitel dafür werden dieser Tage in den Hinterzimmern des Parlaments in Rom geschrieben. Denn der Cavaliere will nicht zurücktreten. „Besser ein Bürgerkrieg“, soll der Mann gesagt haben, dem es noch nie an Selbstvertrauen fehlte.

Kämpferisch kam der stark angeschlagene Berlusconi vom G20-Gipfel in Seoul zurück, das berichten jene in seiner Partei PdL (Volk der Freiheit), die ihm noch die Stange halten. Aus Südkoreas Metropole hatte er sich klammheimlich verabschiedet – ohne vor die Presse zu gehen, wie das die anderen Staatenlenker taten. Und Berlusconi betrat den politischen Dschungel in Rom just an dem Tag wieder an dem die Opposition seinem Widersacher, dem Kammerpräsidenten Gianfranco Fini, ihren Misstrauensantrag gegen die Regierung aufs Pult legte.

Berlusconis Lager antwortet mit einem Vertrauensvotum im Senat, in dem die Achse der PdL-Partei mit der rechtspopulistischen Lega Nord noch einmal halten könnte. Was wird nun zuerst abgestimmt und wann? Überall läuft die Suche nach Bündnispartnern.

Der einstige Postfaschist Fini, langjähriger Weggefährte Berlusconis und ein Mann mit Ambitionen, will das Duell mit dem Regierungschef, will es aber natürlich auch nicht verlieren. Der Präsident der Abgeordnetenhauses hätte es also vorgezogen, dass der Mann, der ihn einst aus der rechten Ecke geholt hatte, von sich aus nun das Handtuch wirft. Doch diesen Gefallen tut Berlusconi ihm nicht. Also muss Fini weiter gegen den früheren Partner taktieren.

Finis neue Gruppe FLI (Zukunft und Freiheit für Italien) kann nach einer neuen Umfrage mit gut acht Prozent der Wähler rechnen und ist - wie auch Umberto Bossis Lega Nord – im Aufwind. Also zieht Fini die Schlinge um den Hals des Regierungschefs noch enger: Am Montag sollen „sein“ Europaminister Andrea Ronchi sowie ein paar Staatssekretäre aus Berlusconis Mitte-Rechts-Regierung ausscheren.

Der Schritt muss Berlusconi nicht kratzen. Besorgter dürfte es ihn indessen machen, dass im Mitte-Rechts-Lager über die Zeit nach ihm nachgedacht wird. Was jetzt ausgelotet und verhandelt wird, das könnte auf vier verschiedene Szenarien hinauslaufen. Staatspräsident Giorgio Napolitano hat bei den Weichenstellungen ein Wort mitzureden.

Der Premier, der ohne Finis Leute keine gesicherte Mehrheit mehr im Parlament hat, kann immer noch von sich aus das Handtuch werfen - um dann in einer erweiterten „Berlusconi B“-Regierung zusammen etwa mit der Zentrumspartei UDC doch wieder eingesetzt zu werden. Oder aber, und dieses dürfte Fini eher vorschweben: Ein neuer Kopf bildet nach Berlusconis Demission eine breitere Mitte-Rechts-Koalition. Für diesen Job fällt immer wieder auch der Name des langjährigen Finanz- und Wirtschaftsministers in Berlusconis Regierungen: Giulio Tremonti.

Bleiben noch zwei andere Varianten. Als dritte könnte für dringende Reformen eine Art Übergangsregierung der nationalen Einheit gebildet werden – eingeschlossen auch Finis neue Truppe und die größte Oppositionspartei PD (Demokratische Partei). Neuwahlen etwa im März wären Option Nummer vier: Die Regierung tritt zurück oder ihr wird das Misstrauen ausgesprochen, sie bleibt aber bis zu diesem Urnengang noch für „Hausmeister“-Aufgaben im Amt. Dieser Weg, mit dem Berlusconi aus gutem Grund oft gedroht hat, sollte man ihm das Vertrauen entziehen, kann vielen nicht gefallen. Die Opposition muss sich erst noch zusammenraufen. Und Finis neue Partei ist noch im Aufbau. Aber auch Berlusconis Lager selbst muss befürchten, dass sich der massive Imageverfall seines Chefs dramatisch niederschlägt.

Der mit erheblichem Erfolg in die Politik eingestiegene Geschäftsmann Silvio Berlusconi wollte als Krönung seiner Karriere aber eigentlich nach der Legislaturperiode 2013 Napolitano als Staatschef beerben und in denn Quirinals-Palast einziehen! Diesen Wunschtraum haben ihm die jungen Eskortdamen nun verhagelt. „Mit mir kann sich keiner vergleichen, nicht in Europa und nicht in der Welt“, so hat er einmal geprahlt. Neugierig verfolgt jetzt ganz Italien, ob das Ende ihres Cavaliere wirklich kommt. Oder ob er nochmal den Kopf aus der Schlinge zieht.