Der Premier soll Kontakte zur Unterwelt gehabt haben. Ein Freund Berlusconis sagte: Er hat mehr Angst vor seiner Frau als vor der Mafia.

Rom/Mailand. Ein Auftragskiller hat vor Gericht den italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi in Verbindung mit einer Serie von Bombenanschlägen der Mafia gebracht. Ein für die Attentate von 1993 verurteilter Clanchef der Cosa Nostra habe ihm gegenüber mit seinen Kontakten zu dem damals noch nicht in der Politik tätigen Medienunternehmer geprahlt. Das sagte der inhaftierte Auftragsmörder Gaspare Spatuzza aus.

Spatuzza wurde von einem Turiner Gericht als Zeuge im Berufungsverfahren von Berlusconis Vertrautem Marcello Dell'Utri vernommen, der gegen seine Verurteilung wegen Verbindungen zur Mafia Rechtsmittel eingelegt hat.

Spatuzza berichtete bei seiner ersten öffentlichen Zeugenaussage von einem Treffen Anfang 1994 in einem Cafe in Rom mit dem Mafia-Clanchef Giuseppe Graviano, der später zusammen mit seinem Bruder zu mehreren lebenslangen Haftstrafen für die Anschläge in Rom, Mailand und Florenz verurteilt wurde. Dabei habe Graviano zwei Namen als besonders hilfreich für die Mafia erwähnt. Einer davon sei Berlusconi gewesen, den er als „der Mann von Canale 5“ bezeichnet habe, eine Anspielung auf einen der Fernsehsender von Berlusconis Konzern Mediaset.

„Wir haben alles dank der Ernsthaftigkeit dieser Leute, besonders Berlusconis“, zitierte der von Panzerglas geschützte Zeuge in einem Hochsicherheitstrakt des Gerichts den Mafia-Boss. Senator Dell'Utri, ein langjähriger Weggefährte Berlusconis, wehrt sich mit dem Berufungsverfahren gegen eine Haftstrafe. Der Regierungschef selbst ist formell nicht in den Prozess verwickelt.

Sein Sprecher wies die Anschuldigungen als Rache der Mafia zurück: „Es ist absolut logisch, dass die Mafia ihre Mitglieder benutzt, um gegen einen Ministerpräsidenten auszusagen, der entschlossen und konkret gegen das organisierte Verbrechen vorgeht.“ Berlusconis Regierung habe im Schnitt täglich acht Mafiosi festnehmen lassen, darunter 15 der 30 meistgesuchten. Zudem habe sie 5,6 Milliarden Euro an Mafia-Vermögen beschlagnahmt, erklärte er.

Ähnlich äußerte sich Dell'Utri. „Das ist alles falsch. Und natürlich ist Berlusconi deshalb auch völlig gelassen“, sagte der Politiker. „Er hat mehr Angst vor seiner Frau als vor Spatuzza.“ Berlusconi hat mit Klagen gegen Zeitungen gedroht, die berichten, gegen ihn werde ermittelt und die Mafia sei an seinen Geschäften beteiligt.

Unterdessen gab ein Gericht in Mailand der von Berlusconis Anwälten beantragten Vertagung eines Korruptionsprozesses statt. Sein Fernbleiben wegen dienstlicher Termine sei ein legitimer Grund. Die Anklage wirft dem Politiker vor, den britischen Anwalt David Mills 1997 mit 400 000 Euro geschmiert zu haben, damit dieser belastendes Material über Berlusconis Mediengeschäfte zurückhalte. Mills ist wegen der Vorwürfe zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden, wogegen er Berufung eingelegt hat.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens wurde möglich, nachdem der Oberste Gerichtshof ein Gesetz für verfassungswidrig erklärt hatte, das den Regierungschef vor Strafverfolgung schützen sollte. Der Regierungschef bestreitet die Anschuldigungen und wirft den Richtern Voreingenommenheit vor.

Falls sich das Verfahren zu lange verzögert, könnte eine Strafverfolgung Berlusconis unmöglich werden. Dies geschah in einem Fall, in dem Berlusconis Holdinggesellschaft zu Schadensersatz wegen Richterbestechung verurteilt wurde, die strafrechtlichen Vorwürfe gegen ihn aber verjährt waren. (rtr)