Israels Ministerpräsident Netanjahu und Palästinenserpräsident Abbas treffen sich in Washington zu Friedensgesprächen.

Hamburg/Washington. Zum Auftakt gab es erst einmal eine ernste Warnung. "Eine derartige Gelegenheit wird es wohl so bald nicht wieder geben", sagte US-Präsident Barack Obama mit Blick auf Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, die sich gestern in Washington zu den ersten direkten Nahost-Friedensgesprächen seit mehr als 20 Monaten an den Verhandlungstisch setzten.

Zwar hatten sich beide Kontrahenten vor Beginn der Gespräche im US-Außenministerium die größte Mühe gegeben, die Atmosphäre positiv aufzuladen - Netanjahu, indem er Abbas seinen " Friedenspartner " nannte, und dieser, indem er versicherte, er werde unermüdlich dafür arbeiten, dass die Verhandlungen ihr Ziel erreichten.

Doch diese Friedensschwüre kommen jetzt auf den Prüfstand. Denn Netanjahu, Abbas, Obama und auch die ebenfalls beteiligten Führer Ägyptens und Jordaniens sind nicht die einzigen Akteure, die den Ausgang der Gespräche beeinflussen können. Abbas regiert nur das Westjordanland und damit nur 60 Prozent der Palästinenser. Die im Gazastreifen herrschende Hamas will die Verhandlungen torpedieren; ihr bewaffneter Arm, die Essedin-al-Kassam-Brigaden, tötete zunächst vier israelische Siedler in der Nähe von Hebron und verletzte einen Tag später ein israelisches Paar bei Ramallah durch Schüsse. Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri erklärte, Abbas habe nicht das Recht, für das ganze palästinensische Volk zu sprechen, daher seien die Palästinenser auch nicht an ein Ergebnis der Gespräche gebunden.

Und auf israelischer Seite kündigte der Direktor des Siedlerrates, Naftali Bennet, gestern den Neubau von Wohnungen in 80 Siedlungen an. Die Siedler berufen sich auf das biblische "Erez Israel", lehnen die Verhandlungen ab, da sie zu einem "falschen Frieden" mit Gebietskonzessionen führen würden. Aber die Frage der Siedlungen in den besetzten Gebieten ist akut die drängendste in der Nahost-Problematik. Schon bei seinem ersten Zusammentreffen mit Netanjahu in Washington hatte Abbas einen Baustopp verlangt. Am 26. September läuft ein israelisches Moratorium aus, das Netanjahu gegen den Widerstand der Rechten in seiner Koalition verkündet hatte. Baut Israel nach diesem Datum weiter - oder gar schon vor Ablauf dieser Frist -, dann könnten die Friedensgespräche, die binnen eines Jahres zu einem Erfolg führen sollen, schon nach wenigen Wochen scheitern. "Ich bin heute hierhergekommen, um Frieden zu schließen", sagte Netanjahu in Washington. "Alle verlieren, wenn es keinen Frieden gibt."

Nun, alle eben nicht - und dieser bedenkliche Umstand reflektiert eine der tieferen Schichten der komplexen Nahost-Problematik. Natürlich geht es in Washington zunächst einmal darum, endlich die bislang ängstlich ausgesparten Kernfragen - der Status von Jerusalem, das beide als Hauptstadt beanspruchen, die Grenzen eines künftigen Palästinenserstaates und nicht zuletzt das Schicksal der 4,8 Millionen palästinensischen Flüchtlinge und ihrer Nachkommen, die nicht in Israel leben dürfen - einer Lösung zuzuführen.

Israel möchte das Palästinenserproblem auch lösen, um eine israelisch-arabische Achse gegen Teheran schmieden zu können. Auch den überwiegend sunnitischen Arabern, Rivalen der schiitischen Perser, ist das nukleare Großmachtstreben des Iran suspekt. Eine einvernehmliche Lösung des Palästinenserproblems könnte eines Tages eine arabisch-israelische Sicherheitsallianz ermöglichen. Dem Iran und seinen Terrorfilialen Hamas und Hisbollah ist daran aber überhaupt nicht gelegen.