Der Langstrecken-Test zum Andenken an Kim Il-sung ging schief. Doch Nordkorea forciert jetzt sein Atom-Programm. China will stabilisierend wirken.

Pjöngjang. In der Nacht zum Freitag schossen zwei Eilmeldungen aus Fernost um den Globus: 1.23 Uhr: Nordkorea lässt nach Angaben aus Seoul eine Langstreckenrakete starten. Dann meldet der Nachrichtensender CNN: Nordkoreanischer Satellitenstart eventuell fehlgeschlagen. Es ist 1.26 Uhr, drei Minuten später.

Morgens stand dann fest: Tatsächlich lagen nur ein paar Minuten zwischen der geplanten Demonstration der Stärke Nordkoreas und dem Fiasko. Dabei sollte es eine große Feier werden - zum 100. Geburtstag des gottgleich inszenierten "ewigen Präsidenten" Kim Il-sung. Ausländische Journalisten waren eingeladen, die Vertreter des Regimes machten Sondertouren zu den Plätzen, die Staatschef Kim Jong-il bei seinen letzten öffentlichen Auftritten vor seinem Tod besucht hatte. Der Flug der Rakete, mit der nach eigenen Angaben ein Satellit ins All geschossen werden sollte, galt als Höhepunkt der Feier. Ungewöhnlich offen räumte die kommunistische Regierung am Freitag den Fehlschlag ein. Die Rakete vom Typ Unha-3 explodierte und krachte ins Meer. Die Absturzstelle liegt rund 40 Kilometer östlich der offiziell geplanten Flugbahn - und laut Nordamerikanischem Luftraumüberwachungskommando 100 Kilometer entfernt von der Küste Südkoreas.

+++ Nordkoreas Raketenstart ist gescheitert +++

+++ Internationale Kritik an Raketenstart +++

Trotz des Fehlschlags und der Blamage für das Regime: Der umstrittene Start schürt neue Ängste vor einer Eskalation der Spannungen in der Region. Südkorea und die USA fordern eine starke Reaktion der internationalen Gemeinschaft. Mit Sorge wird verfolgt, wie Nordkorea an der Entwicklung eines Trägersystems arbeitet, das atomare Sprengköpfe bis an die Westküste der USA tragen könnte. Nordkorea bestreitet, dass der Start militärischen Zwecken diene.

Doch Experten sind sich sicher: Die Gefahr, dass Nordkorea jetzt auch noch einen Atomtest unternimmt, ist gestiegen. Nordkoreas junger Führer Kim Jong-un könnte versuchen, damit das Scheitern des Raketenstarts zu übertünchen, sagt Cheng Xiaohe, Professor für internationale Beziehungen an der Volksuniversität in Peking. "Die Erfolgsrate eines Atomversuchs ist höher, weil es der dritte Test wäre." Ohnehin sei es für Außenstehende schwerer zu beurteilen, ob solch ein unterirdischer Versuch erfolgreich sei.

Nach dem Machtübergang auf den Sohn des im Dezember gestorbenen Alleinherrschers Kim Jong-il sollte der Start der Rakete vor allem auch ein Signal für Nordkoreas Bürger sein. "Der Fehlschlag wird ein wenig Druck auf Kim Jong-un auslösen", meint Wissenschaftler Peter Beck von der Asia Foundation in Seoul. Doch mehr nicht. Im Gegenteil: Kim Jong-un festigt seine Macht. Am Freitag wurde er bei der Jahressitzung des Parlaments zum Ersten Vorsitzenden der Nationalen Verteidigungskommission ernannt.

Dennoch muss die Weltgemeinschaft die Raketentests ernst nehmen. Doch wie die internationale Antwort aussehen kann, ist offen. "Der Start ist ein klarer Verstoß gegen eine Uno-Resolution", sagte Experte Beck. "Allerdings gibt es nur wenige Hebel, fürchte ich", sagte er zu Forderungen nach einer deutlichen Antwort. Nordkorea ist bereits strikten Sanktionen unterworfen. Allerdings könnten China und Südkorea dem Regime von Kim Jong-un einen Schlag versetzen, falls sie Handel und Lebensmittellieferungen unterbinden. Doch fürchtet China auch, die Falschen zu treffen - nämlich die ohnehin hungernden Menschen des Landes.

1997 führte eine durch Unwetter, Missernten und Zwangswirtschaft ausgelöste Hungerkatastrophe zu einem Massensterben. Nach Schätzung der Vereinten Nationen sind noch immer Millionen Nordkoreaner von Hunger bedroht. Und dennoch: Mit mehr als 1,2 Millionen Soldaten unterhält das darbende Land eine der größten Armeen Asiens.

Seit Jahren löst Nordkoreas Atomprogramm weltweit Besorgnis aus. Gemeinsam mit dem Raketenprogramm des Landes gilt es als Bedrohung in der Region. Gespräche und das Angebot westlicher Wirtschaftshilfe konnten Nordkorea nicht daran hindern, Raketen zu erproben, die bis in die USA fliegen könnten. Zudem testete das Regime 2006 und 2009 Atomwaffen. Mehrfach haben die Vereinten Nationen Sanktionen gegen die kommunistische Diktatur verhängt. Als Reaktion auf Nordkoreas zweiten Atomwaffentest im Mai 2009 verabschiedeten die 15 Mitgliedstaaten des Uno-Sicherheitsrats einstimmig die Resolution 1874 vom 12. Juni 2009. Sie ist völkerrechtlich verbindlich und lässt gemäß Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen notfalls die Anwendung von Gewalt zu.

Doch einen militärischen Angriff auf Nordkorea schließen die entscheidenden Mächte im Moment aus. Selbst eine neue Runde von Sanktionen durch die Vereinten Nationen erscheint unwahrscheinlich. Die Vetomacht Russland äußerte zwar Kritik am Raketenstart. Nach Gesprächen mit seinen chinesischen und indischen Kollegen sagte Außenminister Sergej Lawrow, die Länder seien in der Einschätzung übereingekommen, dass Sanktionen die Lage nicht verbessern würden. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) rechnete mit verschärften Spannungen auf der koreanischen Halbinsel und forderte eine deutliche Antwort des Sicherheitsrats. Die Außenminister der G8-Staaten riefen den Rat auf, angemessen zu reagieren.

Eine Schlüsselrolle in dem Konflikt mit Nordkorea kommt China zu. Hatte Peking bisher eher gezögert, mehr internationale Verantwortung zu übernehmen, schaltet die chinesische Diplomatie jetzt einen Gang höher. Es geht nicht nur darum, den Verpflichtungen als Veto-Macht im Weltsicherheitsrat nachzukommen, sondern zunehmend auch um eigene Interessen. Nicht nur in der Auseinandersetzung mit Nordkorea - sondern auch im aktuellen Streit mit Syrien und dem Iran.

Im Umgang mit dem Regime in Pjöngjang will China stabilisierend wirken, eine Eskalation vor der Haustür verhindern. Doch nach dem Scheitern des Raketenstarts droht jetzt ein neuer Atomtest, den Experten für unausweichlich halten. "Nordkorea wird früher oder später einen Nukleartest abhalten", sagt der Forscher Yang Xiyu vom China-Institut für Internationale Studien in Peking. Wie sein Land darauf reagieren könnte, sagt er nicht.