Russland kritisiert die Beschlüsse der “Freunde Syriens“ als “einseitig“. Auch die syrische Regierung hätte nach Istanbul eingeladen werden müssen.

Damaskus/Istanbul/Moskau. Die russische Regierung hat die Beschlüsse der Syrien-Konferenz in Istanbul als „einseitig“ kritisiert. Die "Freunde Syriens" hätten eine direkte Hilfe der bewaffneten Opposition besprochen, darunter auch logistische und militärische Unterstützung, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Moskau am Montag nach Angaben der Agentur Interfax. „Das steht zweifellos im Gegensatz zum Ziel einer friedlichen Lösung des Konflikts.“ Zudem seien weder die syrische Regierung noch „einflussreiche“ Oppositionsgruppen eingeladen gewesen, kritisierte die Sprecherin. Die Uno-Vetomacht Russland ist ein enger Partner Syriens und hatte nicht an der Konferenz teilgenommen. Die "Freunde Syriens" hatten am Sonntag beschlossen, mit der Aussicht auf weitere Sanktionen der internationalen Gemeinschaft den Druck auf den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu erhöhen und ihn zur Umsetzung des Friedensplans von Ex-Uno-Generalsekretär Kofi Annan zu bewegen. Einem Bericht der "New York Times" zufolge wollen zudem mehrere Golfstaaten den Kampf der oppositionellen Freien Syrischen Armee mit Millionen von Dollar finanzieren.

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Allein 100 Millionen Dollar seien den aufständischen Kämpfern für die kommenden drei Monate zugesagt worden, sagte das Mitglied des Syrischen Nationalrats, Molham al-Drobi, der „New York Times“ am Rande des Kontaktgruppentreffens am Sonntag in Istanbul. Dem Bericht zufolge soll das Geld als Sold für die Rebellen verwendet werden. Außerdem solle damit ein Anreiz für die Angehörige der Regierungstruppen geschaffen werden, ebenfalls zu desertieren und sich den Aufständischen anzuschließen. Obwohl ausschließlich finanzieller Natur, stellt der Plan die erste formale Unterstützung der deutlich unterlegenen Freien Syrischen Armee dar. Unklar blieb, wie der Fonds eingerichtet und überwacht wird. Nach Angaben der „New York Times“ stammt das Geld zum größten Teil aus Saudi-Arabien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Saudi-Arabien tritt für die Bewaffnung der syrischen Opposition ein, konnte sich bislang damit auf internationaler Bühne aber nicht durchsetzen.

US-Außenministerin Hillary Clinton kündigte zudem an, Washington werde Kommunikationsausrüstung zur Verfügung stellen, damit sich die Opposition in Syrien organisieren und mit der Außenwelt in Kontakt bleiben könne. Zwar setzt die internationale Gemeinschaft weiter auf eine politische Lösung, zugleich halten sich die Staaten aber „zusätzliche angemessene Maßnahmen“ offen, um die syrische Bevölkerung zu schützen. Damit drohen sie Assad indirekt auch mit einer möglichen militärischen Intervention. Sollte das Töten in Syrien weitergehen, soll sich der Uno-Sicherheitsrat erneut einschalten. In der Abschlusserklärung des Treffens verurteilten die Syrien-Freunde die Gräuel des Assad-Regimes und erklärten es für legitim, wenn sich die syrische Bevölkerung gegen die Gewalt schütze.

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Sie stellten weitere Sanktionen in Aussicht und sagten breite Unterstützung für einen politischen Prozess zu - technisch wie finanziell. Den Syrischen Nationalrat wertete die Runde weiter auf - als „einen legitimierten Vertreter aller Syrer“ und als Dachorganisation für die syrischen Oppositionsgruppen. Der Rat hatte sich jedoch eine Anerkennung als alleiniger Vertreter der Opposition erhofft.

Zeitplan für weitere Schritte gefordert

Vertreter von weit mehr als 60 Staaten und Organisationen berieten in der türkischen Metropole über mögliche Auswege aus dem blutigen Syrien-Konflikt. Die internationale Runde stellte sich hinter den Friedensplan des Sondergesandten von Vereinten Nationen und Arabischer Liga, Annan. Sie riefen ihn aber auf, einen Zeitplan für die weiteren Schritte aufzustellen.

Annans Friedensplan sieht unter anderem eine Waffenruhe, politische Gespräche und Zugang für humanitäre Hilfe vor. Assad hatte unter Bedingungen Zustimmung zu dem Plan signalisiert, die blutigen Kämpfe gegen die Oppositionskräfte im Land aber fortgesetzt. Zuletzt ließ er ausrichten, die Regierung werde ihre Truppen erst aus den Unruheregionen abziehen, wenn dort wieder Normalität eingekehrt sei. Die Staatengemeinschaft will sich diese Hinhaltetaktik von Assad nicht länger gefallen lassen.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sagte, ein Spiel auf Zeit sei nicht zu akzeptieren. Wenn Assads Regime nicht kooperiere, müsse der Uno-Sicherheitsrat eingreifen und Verantwortung übernehmen. Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle forderte Assad auf, seinen Worten Taten folgen zu lassen und dem Friedensplan zu folgen. Andernfalls müsse sich der Uno-Sicherheitsrat erneut einschalten. Außerdem werde die internationale Gemeinschaft die Sanktionsschraube weiter anziehen, wenn das Regime nicht kooperiere.

Heftige Gefechte in Homs

Unterdessen haben sich nach Angeben von Regimegegnern am Montag Deserteure und Soldaten der regulären Armee in der syrischen Stadt Homs heftige Gefechte geliefert. Die Kämpfe hätten sich auf das Viertel Dschaurat al-Schajah konzentriert, berichtete die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter. Weitere Stadtviertel seien von der Armee mit Artillerie beschossen worden.

Im Zentrum der Hauptstadt Damaskus zündeten Unbekannte nach Informationen aus Oppositionskreisen eine Bombe neben einer Polizeistation. Ein Polizist sei durch die Explosion am Al-Mardsche-Platz leicht verletzt worden, hieß es. In der Provinz Idlib töteten die Truppen des Regimes von Präsident Baschar al-Assad nach Angaben der Opposition fünf Deserteure und zwei Zivilisten. In der Provinz Daraa sollen bewaffnete Regimegegner zwei Soldaten getötet haben. Wegen der Medienblockade durch die Regierung sind Berichte aus Syrien oft nicht von unabhängiger Seite zu überprüfen.

Die staatliche Zeitung „Al-Thawra“ schrieb am Montag zu dem Treffen der Kontaktgruppe der "Freunde Syriens" am Vortag: „Die Teilnehmer dieser Konferenz verhalten sich dem syrischen Volk gegenüber aggressiv.“

Mit Material von dpa/dapd