Es fehlt bislang eine gemeinsame Strategie, um die Gewalt des Assad-Regimes zu beenden. Das arabische Lager driftet immer mehr auseinander.

Istanbul. Der große Konferenzsaal, den die türkischen Gastgeber angemietet haben, ist voll besetzt mit Diplomaten und Ministern. Was fehlt, ist das fröhlich summende Geplauder, das bei internationalen Konferenzen meist den Raum erfüllt, bevor der erste Redner das Wort ergreift. Die Stimmung bei diesem zweiten Treffen der Kontaktgruppe der Freunde Syriens ist gedrückt. Ratlosigkeit erfüllt den Saal. Denn die hier Anwesenden wissen, dass in Syrien jeden Tag bis zu 150 Menschen getötet werden. Und jeder von ihnen weiß, dass es bislang keine gemeinsame Strategie der internationalen Gemeinschaft gibt, um das Blutvergießen zu stoppen. Russland und China haben keine Delegationen nach Istanbul geschickt. Der Irak und der Iran wollen einen Regimewechsel in Damaskus verhindern.

Und das arabische Lager driftet immer mehr auseinander: Auf der einen Seite die Golfstaaten, die Waffen an Oppositionelle mit islamischem Hintergrund schicken – auf der anderen Seite die säkularen Kräfte, die Angst davor haben, was dies in einer Nachkriegsordnung für Folgen haben wird. Eine dritte Gruppe bilden die Vertreter der alten Regime, die schlicht und einfach nicht wollen, dass noch ein arabischer Diktator stürzt.

Nachdem die öffentlichen Eröffnungsreden verklungen sind, ergreift auf dem Podium ein Syrer das Wort, der erst kürzlich aus seiner Heimat geflohen ist. Er sagt: „Der Klang von Artillerie und Schüssen ist die Musik, die wir in Syrien morgens und abends hören. Meine Damen und Herren, das, was Sie im Fernsehen sehen, ist nur ein Prozent dessen, was an schrecklichen Dingen in Syrien geschieht“. Er wirkt glaubwürdig. Betreten lauschen die Konferenzteilnehmer seinen Schilderungen.

„Es geht vorwärts, aber es dauert lange, auch diese Konferenz hier ist nicht mehr als eine Etappe auf dem Weg hin zu einer Lösung des Konfliktes“, erklärt ein österreichischer Diplomat. Zumindest sei die Gruppe der Freunde Syriens seit dem ersten Treffen in Tunis im Februar deutlich größer geworden. In Tunis hatte die Kontaktgruppe dem Syrischen Nationalrat (SNC) aufgetragen, sich mit den anderen Oppositionsgruppen zu einigen, damit die Assad-Gegner künftig mit einer Stimme sprechen. Außerdem sollten sie eine Vision für einen demokratischen Staat nach Assad entwickeln.

Die Opposition hat ihre Hausaufgaben gemacht. Zwar sind einige kurdische Gruppen immer noch nicht eingebunden und auch die Vision des SNC für ein „demokratisches Syrien, das von religiöser Toleranz und Pluralismus bestimmt wird“ ist noch nicht ganz ausgereift.

Doch die westlichen Diplomaten, die momentan mit großer Sorge beobachten, wie der ägyptische Staat immer stärker unter den Einfluss von Islamisten gerät, finden die jüngsten Signale aus der syrischen Opposition zumindest ermutigend. Außerdem verbuchen sie es als positiv, dass der SNC in seine Delegation für das Treffen der Freunde Syriens auch einige prominente Quertreiber und SNC-Kritiker wie den Menschenrechtsanwalt Haitham al-Maleh und Scheich Nawaf al-Baschir aufgenommen hat.

Auf verlorenem Posten steht an diesem regnerischen Apriltag der sonst so machtvoll auftretende Ministerpräsident von Katar, Scheich Hamad bin Dschasim al-Thani. Sein Ruf nach einer „arabisch-internationalen Friedenstruppe für Syrien“ findet keine Resonanz. Zu groß ist die Angst des Westens vor einer Konfrontation mit Russland, einem Stellvertreterkrieg unter Beteiligung des Iran und einer Ausweitung des sunnitisch-schiitischen Konflikts, der schon den Irak entzweit hat und auch im Libanon, in Saudi-Arabien und in Bahrain weiter gärt. Die Teilnehmer der Syrien-Konferenz in Istanbul sind sich deshalb sicher: In der syrischen Tragödie werden vor dem Schlussakt noch viele Tränen vergossen werden.

In Istanbul machten die "Freunde Syriens" zwar noch einmal deutlich, dass sie eine friedliche Lösung anstreben. Doch erstmals drohten sie Assad indirekt auch mit einer möglichen militärischen Intervention.

(dpa/abendblatt.de)