Der Direktor in der Urananreicherungsanlage Natans ist bereits das vierte Attentatsopfer. Vor dem Hintergrund des Atomstreits beschuldigt der Iran Israel.

Teheran/Hamburg. Im dichten morgendlichen Berufsverkehr der iranischen Hauptstadt Teheran schlängelt sich ein Motorradfahrer durch den Fahrzeugstrom; als das Zweirad einen Peugeot 405 passiert, beugt sich der Sozius hinüber und heftet eine magnetische Bombe unter den Wagen. Das Motorrad rast davon, der Peugeot explodiert kurze Zeit später. Ein Insasse des Wagens wird getötet, zwei weitere werden verletzt, einer von ihnen stirbt später im Krankenhaus, wie iranische Medien melden.

Die politische Brisanz des Attentats unweit der Fakultät für Sozialwissenschaften der Allameh-Tabatabei-Universität wurde rasch deutlich: Der im Wagen getötete Mann war der iranische Universitätsprofessor Mostafa Ahmadi Roshan. Der erst 32-Jährige war nach Angaben der halbstaatlichen Agentur Fars Direktor einer Abteilung in der Urananreicherungsanlage Natans in der Provinz Isfahan und hatte zudemeinen Lehrauftrag an der Universität. Der Chemiker arbeitete offenbar an der Entwicklung neuer Membranen für die Trennung von Gasen.

"Die Verantwortung für diese Explosion liegt bei dem zionistischen Regime", behauptete der Vizegouverneur der Provinz Teheran, Safar Ali Baratlu. Damit ist im offiziellen iranischen Sprachgebrauch Israel gemeint. "Die Methode dieses Terrorakts ähnelt vorherigen Aktionen, die Irans Atomwissenschaftler zum Ziel hatten", sagte Baratlu weiter.

Mit einer ganz ähnlichen Methode war im November 2010 der Atomwissenschaftler Majid Shariari getötet worden. Dabei wurde sein Kollege Feridun Abbasi verletzt, der inzwischen Leiter der iranischen Atomenergiebehörde ist. Im Januar 2010 war bereits der Physikprofessor Massud Ali Mohammadi getötet worden, als ein mit einer Bombe bestücktes Motorrad neben seinem Auto explodierte. Und im Juli 2011 töteten Attentäter auf einem Motorrad einen angeblichen Elektronikstudenten, der in anderen Quellen jedoch als Nuklearwissenschaftler bezeichnet wurde.

Für alle diese Anschläge hatte die iranische Regierung die Geheimdienste Israels, der USA und Großbritanniens verantwortlich gemacht. Iran behauptet, sein Atomprogramm sei rein ziviler Natur, steht aber im Verdacht, an der Atombombe zu arbeiten. Dies ist umso brisanter, als der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad geäußert hat, der Staat Israel solle von der Landkarte getilgt werden. Zudem weigert sich der Iran, sein Atomprogramm gegenüber der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEO offenzulegen, und hat wesentliche Teile tief unter der Erde angelegt, um sie vor Satellitenaufklärung zu verbergen und vor Luftschlägen zu schützen.

In der israelischen Politik wird immer wieder der Vorsatz geäußert, man werde die Entwicklung eines iranischen Atomarsenals notfalls mit militärischen Mitteln verhindern. Die US-Regierung ist strikt dagegen, auch der frühere Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, Meir Dagan, hat diese Angriffspläne als "das Dümmste, das ich je gehört habe", gegeißelt. Nach Ansicht mancher Analysten könnten die USA und Israel stattdessen mit der gezielten Liquidierung von iranischen Schlüsselexperten die Entwicklung des Atomprogramms behindern.

Theodore Karasik, Sicherheitsexperte am Institut für militärische Analyse im Nahen Osten und am Golf(Inegma) mit Sitz in Dubai, sagte US-Medien, die Verwendung magnetischer Bomben trage die Züge verdeckter Operationen. Die Methode sei "sauber, leicht und effizient". Auch der mutmaßlich von Israel eingeschleuste Internet-Wurm Stuxnet, der die Leittechnik in Natans und anderen Anlagen 2010 massiv störte, gehörte offenbar zu dieser Verzögerungstaktik.

Iran, das sich verschärften Sanktionen seitens der USA und der EU ausgesetzt sieht und bereits mit der Blockade der Meerenge von Hormus gedroht hat, durch die 40 Prozent des weltweiten Öltransports laufen, hat gerade eine weitere unterirdische Urananreicherungsanlage in Fordo nahe der heiligen Stadt Ghom in Betrieb genommen. Gesichert von Luftabwehrbatterien und unter bis zu 90 Meter Gestein - unerreichbar selbst für die schwersten amerikanischen Bunkerknacker - sollen 348 Zentrifugen bereits arbeiten, und dieselbe Anzahl soll im Bau sein. Das in Mineralien vorkommende Metall Uran besteht zu 99,3 Prozent aus Uran 238 und nur zu 0,7 Prozent aus Uran 235. Letzteres muss jedoch für den Bau einer Atombombe auf fast 90 Prozent angereichert werden.

Das Regime in Teheran gibt an, in Fordo werde dieses Uran für eine Verwendung in der Nuklearmedizin auf nur 20 Prozent angereichert. Die US-Regierung hält dies jedoch für einen weiteren Schritt zur Anreicherung zu waffenfähigem Uran. "Für diese Produktion gibt es keinen plausiblen Grund", meinte US-Außenministerin Hillary Clinton und forderte Teheran auf, die Urananreicherung sofort zubeenden.

Der israelische Generalstabschef Benny Gantz sagte laut US-Nachrichtenmagazin "Time" am Dienstag voreinem Parlamentsausschuss, 2012 werde ein "kritisches Jahr" für den Iran werden - unter anderem, weil ihm "unnatürliche Dinge" zustoßen würden.