US-Präsident Obama verkündet eine neue Strategie. Kleiner, schlanker und flexibler lauten die Vorgaben für die Streitkräfte der Zukunft.

Washington. Es dürfe keinen Zweifel geben, sagte Barack Obama und hob das einzige Mal während seiner halbstündigen Rede den rechten Zeigefinger zur Unterstreichung, "als Amerikas erster pazifischer Präsident verspreche ich Ihnen, dass diese pazifische Nation ihren Führungsanspruch in diesem außerordentlich wichtigen Teil der Welt stärken und aufrechterhalten wird". Das war vor mehr als zwei Jahren, im November 2009 bei seinem Besuch in Tokio, und die künftige Fokussierung Washingtons auf den pazifischen Raum bestätigte Obama am Donnerstag mit den Eckpunkten der neuen US-Verteidigungsstrategie. "Zur Aufrechterhaltung des globalen US-Führungsanspruchs" ist das Dokument über "Prioritäten für die Verteidigung im 21. Jahrhundert" überschrieben, zu dessen Vorstellung Obama ungewöhnlicherweise im Pentagon auftrat.

Die finanziellen Zwänge, die hinter der Strategiewende zu einer kleineren, flexibleren Armee mit neuer regionaler Ausrichtung stehen, benennt der auf Hawaii geborene und als Kind in Indonesien aufgewachsene "erste pazifische Präsident" bereits in Zeile vier der Vorbemerkung zu dem achtseitigen Papier: Die USA hätten den Krieg im Irak "verantwortungsvoll beendet", die Terrororganisation al-Qaida auf den "Weg der Niederlage" gebracht, ihren im Mai getöteten Führer Osama Bin Laden zur Verantwortung gezogen und "signifikanten Fortschritt in Afghanistan" gemacht. Und weiter: "Gleichzeitig müssen wir unsere Finanzen daheim in Ordnung bringen und unsere langfristige wirtschaftliche Stärke erneuern."

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Obama, Verteidigungsminister Leon A. Panetta und Generalstabschef Martin Dempsey hielten sich mit Details der neuen Strategie zurück. Aber der Rahmen ist gesteckt. Künftig haben die USA nicht mehr den Anspruch, zwei Kriege gleichzeitig führen zu können. Stattdessen sollen die Kapazitäten sicherstellen, dass ein Krieg geführt und zur selben Zeit eine potenzielle Bedrohung der Sicherheit der USA in einer anderen Region eingedämmt werden kann. Obamas Vorgänger George W. Bush hatte 2001 und 2003 in Afghanistan und im Irak zwei militärische Großeinsätze parallel führen lassen.

"Unser Militär wird schlanker", sagte Obama, aber es werde seine Überlegenheit aufrechterhalten durch bewaffnete Kräfte, die "flink, beweglich und vorbereitet sind auf alle Eventualitäten und Bedrohungen". Das bedeutet eine Schwerpunktverschiebung weg vom Heer, das den größten Kostenfaktor im rund 700 Milliarden Dollar (550 Milliarden Euro) umfassenden Pentagonetat darstellt. Es soll laut Panetta in der kommenden Dekade von 590 000 auf 470 000 Soldaten schrumpfen. Zunehmen wird die Rolle von Luftwaffe, Marine und neuen Technologien wie Cyberwar-Fähigkeiten. Allerdings muss sich auch die Air Force einschränken. Panetta hatte nur wenige Tage zuvor angedeutet, dass das neue Kampfflugzeug F 35 in geringerer Stückzahl angeschafft wird. 2006 hatte das Verteidigungsministerium bei Lockheed Martin 2443 Exemplare für insgesamt 382 Milliarden Dollar bestellt.

Die Navy kann hingegen davon ausgehen, dass von den elf Flugzeugträgern, der Basis ihrer maritimen Stärke, zunächst keiner ausgemustert wird.

Das Papier enthält ein Bekenntnis zu den transatlantischen Beziehungen, spricht aber auch von einer "Neugewichtung" der US-Präsenz in Europa. Das kündigt eine mutmaßlich nicht nur marginale Truppenreduzierung in Europa an. Voriges Jahr hatte sich der scheidende US-Verteidigungsminister Robert Gates in recht schroffer Form darüber beschwert, dass die europäischen Verbündeten viel zu geringe Verteidigungslasten trügen. Die Debatte über "burden sharing" dürfte von Panetta nun erneut an die Nato-Partner herangetragen werden.

Mit Russland soll eine "engere Beziehung" aufgebaut werden, während mit Indien eine "langfristige strategische Partnerschaft" entwickelt werden soll. Beides zielt auf China. Dessen "Aufstieg als regionale Macht" habe "das Potenzial, die US-Wirtschaft und unsere Sicherheit in verschiedenen Bereichen zu beeinflussen". Im Sinne von Stabilität und Frieden in der Region strebe Washington eine "kooperative bilaterale Beziehung" mit Peking an. Einhergehend mit der wachsenden militärischen Macht Chinas erwarte man aber "mehr Klarheit über seine strategischen Ziele, um das Aufkommen von Spannungen in der Region zu vermeiden". Erneuert wird das Bekenntnis zur Sicherheit Israels und zu einer Friedenslösung für den Nahen Osten. Darum bleibe die Region ein Schwerpunkt amerikanischer Militärpräsenz. Eine Nuklearrüstung des Iran solle vermieden werden.

In dem Papier wird in Übereinstimmung mit früheren Initiativen Obamas auch erklärt, Abschreckung lasse sich "mit einer kleineren Nuklearbewaffnung erreichen". Die Forderung nach einer völligen Abschaffung aller Atomwaffen weltweit, für die der Präsident in der ersten Hälfte seiner Amtszeit intensiv geworben hatte, wird allerdings nicht wiederholt.

Sind es vor allem die knappen Kassen oder objektive neue geopolitische Koordinaten, die den Strategiewandel der USA bestimmen? Erkennbar handelt es sich um einen Mix beider Ursachen. Im April hatte Obama dem Verteidigungsministerium Kürzungen von 400 Milliarden Dollar in der laufenden Dekade auferlegt. Der Streit zwischen Weißem Haus und den Republikanern über die Staatsschulden könnte das Pentagon zu Einsparungen von weiteren 500 Milliarden Dollar zwingen.

Doch unabhängig davon hat sich die Weltkarte ebenso geändert wie militärische Herausforderungen. Die letzte Supermacht ist mit ihrer traditionellen Kriegsführung bei den Versuchen gescheitert, im Irak eine stabile Ordnung zu errichten und in Afghanistan die Fundamentalisten dauerhaft in die Defensive zu drängen. Schon vor 2001 hatte der damalige Verteidigungsminister Donald H. Rumsfeld eine Neuausrichtung der Verteidigungsstrategie angekündigt, die Obamas Plan ähnelt.