Die prunkvollen Paläste sind verwaist. Staub liegt auf den pompösen Möbeln und Goldarmaturen.

Bagdad/Hamburg. Um 8.20 Uhr morgens dringen Soldaten der 3. US-Infanteriedivision in den Neuen Palast von Staatschef Saddam Hussein ein - unter irakischem Feuer. Sie werden von einem benachbarten Uhrturm aus beschossen. Ein US-Panzer zerstört das Gebäude mit einer Granate. Fliehende Iraker springen in den Tigris. Dann wenden sich die Soldaten wieder dem mit blauen Kacheln verzierten Sujud-Palast zu. Das Untergeschoss liegt in Trümmern, auch das dritte und vierte Stockwerk sind weitgehend zerstört, getroffen bei den tagelangen amerikanischen Luftangriffen seit Beginn des Krieges am 20. März. Auf dem Boden liegen abgerissene Vorhänge. Das von einer blauen und goldenen Kuppel gekrönte Gebäude macht trotz seiner starken Beschädigungen den Eindruck, als ob es einmal ein prächtiger Wohnsitz gewesen sei. Der Goldaufstrich von Möbeln im Louis-XIV.-Stil ist jetzt aber unter dicken Staubschichten verborgen. Der Neue Palast am Tigrisufer wurde erst vor wenigen Jahren unweit der Zentrale der Baath-Partei im Zentrum von Bagdad errichtet. Es ist einer der wenigen Saddam-Paläste, von denen die irakischen Bürger offiziell wussten. Doch auch um dieses Anwesen läuft eine hohe Mauer mit schwarzen Toren, vor denen sonst irakische Gardetruppen Wache standen. Überall hängt der Geruch von verbranntem Holz in der Luft. Fast in jedem Raum gibt es mindestens einen Fernseher. Aufwendige Glasmalereien, reich verzierte Türen und imposante Wendeltreppen beeindrucken die amerikanischen Truppen. Brunnen und Schwimmbäder sind aber trocken gelegt. "Das muss einmal ein netter Ort gewesen sein", staunt der 20 Jahre alte US-Soldat Robert Blake. Soldaten durchsuchen die Räume, die meist den Eindruck von noblen Wohnsalons machen. In Büros durchsuchen sie Dokumente. In einem Kinderzimmer gibt es vier Betten, die großen Schlafzimmer wirken wie Suiten eines Luxushotels. Regale und Schubladen sind leer. Offenbar ist der Palast schon vor Beginn des Bombardements geräumt worden. In der Küche gibt es keine Vorräte, aber Wasser läuft noch aus den Leitungen. Auf dem Gelände des Palastes richten die amerikanischen Truppen einen provisorischen Sammelpunkt für Gefangene ein. Hier werden irakische Kämpfer hingebracht, die bei den Gefechten im Stadtzentrum gefangen genommen wurden. Auch in den riesigen Palast der Republik, ein paar Kilometer weiter östlich am Tigris-Ufer, dringen US-Soldaten ein. M1-Abrams-Panzer rollen durch die Tore der zweieinhalb Quadratkilometer großen Anlage. Im Badezimmer blinken die vergoldeten Armaturen. Tief im Inneren birgt die Anlage einen Atombunker und ein persönliches Büro, in dem Saddam Hussein zu arbeiten pflegte. Fernsehbilder zeigen, wie die GIs durch den Palast schlendern oder es sich im Park am Westufer des Tigris gemütlich machen. Der größte Palast von Bagdad, der Komplex von Radwanijah in der Nähe des Flughafens, war schon Tage zuvor von US-Soldaten durchstöbert worden. Während seiner 24 Jahre dauernden Herrschaft hat sich Saddam Hussein Dutzende prächtige Anlagen im ganzen Land erbauen lassen. Der Tyrann gilt als Multimilliardär, der sein Land in all den Jahren regelrecht ausgeplündert hat. Seine Söhne folgten diesem Vorbild: Sie sind an vielen lukrativen, meist illegalen Geschäften beteiligt. Mindestens acht der Präsidentenkomplexe gelten als echte Paläste. Die Vereinten Nationen haben jahrelang vermutet, dass der Staatschef in einigen dieser Paläste in geheimen unterirdischen Bunkern Massenvernichtungswaffen versteckt hält. Bei den UNO-Inspektionen wurde aber kein Hinweis darauf gefunden. Insgesamt bestehen die acht gigantischen Präsidentenpaläste aus mehr als eintausend einzelnen Gebäuden. Die Gesamtfläche der ausgedehnten Parkgrundstücke mit ihren künstlich angelegten Seen beträgt mehr als 31 Quadratkilometer - das entspricht der halben Grundfläche eines Stadt wie Bremerhaven. Neben dem Palast der Republik mit seiner Fläche von 38 000 Quadratmetern, dem Radwanijah-Palast und dem neuen Palast am Tigris stehen weitere Paläste vor allem in der zweitgrößten irakischen Stadt Basra, in Saddam Geburtsstadt Tikrit sowie in Mossul, Tharthar und Dschabal Machul bei Samarra.