Auch ohne offizielles Ergebnis feiert die religiöse Partei den Triumph über den Nachfolger Mubaraks. Mursi will für “demokratischen und modernen Staat“ arbeiten.

Kairo. Die Muslimbruderschaft hat ihren Kandidaten Mohammed Mursi noch vor Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses zum Sieger der Präsidentenwahl in Ägypten erklärt. Er habe sich in der Stichwahl gegen Ex-Ministerpräsident Ahmad Schafik durchgesetzt, erklärte die Organisation. Die Muslimbrüder stützten ihre Angaben in der Nacht zum Montag auf die Auszählungen in 98 Prozent der mehr als 13.000 Wahllokale. Danach liege Mursi bei 52 Prozent der Stimmen, Schafik bei 48 Prozent. Das Lager von Schafik wies die Siegeserklärung zurück. Die Auszählung sei noch nicht abgeschlossen, Schafik liege leicht in Führung, erklärte ein Sprecher. Das offizielle Ergebnis soll am Donnerstag verkündet werden. Die ägyptischen Streitkräfte wollen nach eigenen Angaben dem neu gewählten Präsidenten Ende des Monats die Macht übergeben.

Mursi selbst gab sich bereits als Sieger: Er strebe nach Stabilität, Liebe und Brüderlichkeit und einem zivilen, demokratischen und modernen Staat, sagte er in einer Rede vor jubelnden Anhängern. Er wolle der Diener aller Ägypter sein. „Gott sei Dank, der uns erfolgreich auf den Weg der gesegneten Revolution führte“, sagte der 60-jährige Mursi, ein in den USA ausgebildeter Ingenieur. Die Wahl am Wochenende galt als Konkurrenzkampf zwischen Mursi als Vertreter des erstarkten, gemäßigten Islamismus’ und Schafik, dem Vertreter der alten Elite um den gestürzten Expräsidenten Husni Mubarak.

Unterdessen richtete Außenminister Guido Westerwelle (FDP) drei Forderungen an den künftigen Wahlsieger. In einem Interview des Deutschlandfunks nannte er am Montag an erster Stelle, der künftige Präsident müsse sich glaubhaft zum demokratischen Wandel im Land bekennen. Zweitens müsse er der Repräsentant aller Ägypter sein und das gespaltene Volk wieder vereinen. Drittens müsse er Garant des inneren und des äußeren Friedens sein, forderte der Außenminister.

Der Sieger der Wahl wird der fünfte Präsident Ägyptens seit dem Ende der Monarchie vor fast 60 Jahren. Die Muslimbruderschaft war die meiste Zeit ihres 80-jährigen Bestehens in Ägypten verboten und unter Mubarak harten Repressionen ausgesetzt, bis der ehemalige Präsident im vergangenen Jahr durch einen vor allem von Jugendlichen getragenen Volksaufstand gestürzt wurde. Die weltlich geprägte Organisation 6. April, die die Revolution mit anstieß, gratulierte den Muslimbrüdern zum Sieg. Beide Gruppen eint die Opposition gegen das frühere Regime und dessen Vertreter.

Auf Konfrontationskurs mit dem Militärrat

Unterdessen zeichnete sich trotz gegenteiliger Beteuerungen des vermeintlichen Wahlsiegers Mursi eine Konfrontation der Muslimbruderschaft mit dem seit dem Sturz von Mubarak übergangsweise regierenden Militärrat ab. Die Generäle legten eine Übergangsverfassung vor, derzufolge sie zunächst weiter die legislativen Befugnisse und die Haushaltskontrolle innehaben sollen.

Der Präsident soll das Kabinett ernennen sowie Gesetze annehmen oder ablehnen können, wie aus dem der Nachrichtenagentur AP vorliegenden Dokument hervorgeht. Das Staatsoberhaupt soll nach den Plänen der Generäle aber nicht an der Zusammensetzung des Militärrats rütteln können, dessen Vorsitzender, Feldmarschall Hussein Tantawi, auch den Oberbefehl über die Streitkräfte hat.

Die Generäle sollen ferner einen 100-köpfigen Ausschuss ernennen, der eine neue Verfassung ausarbeiten soll. Wegen Unregelmäßigkeiten bei der erst wenige Monate zurückliegenden Parlamentswahl hatte das Verfassungsgericht in der vergangenen Woche das frei gewählte, von der Partei der Muslimbruderschaft dominierte Parlament aufgelöst. Die Muslimbruderschaft hat angekündigt, die Auflösung des Parlaments und die Interimsverfassung der Generäle nicht anzuerkennen. Erneute Parlamentswahlen sollen erst nach Verabschiedung der neuen Verfassung stattfinden, also frühestens Ende des Jahres.

Mit Material von dapd