Bei der zweitägigen Stichwahl, die am Sonnabend begann, tritt Exministerpräsident Ahmed Schafik gegen Muslimbruder Mohammed Mursi an.

Kairo. In einer Atmosphäre aus Misstrauen und Anspannung stehen die Ägypter bei der Präsidentenwahl an diesem Wochenende vor der Entscheidung zwischen alter Garde und aufstrebenden Islamisten: Bei der zweitägigen Stichwahl, die am Sonnabend begann, treten der ehemalige Ministerpräsident Ahmed Schafik und der Kandidat der Muslimbruderschaft, Mohammed Mursi, gegeneinander an.

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Der Sieger der Wahl wird der fünfte Präsident Ägyptens seit dem Ende der Monarchie vor fast 60 Jahren. Schafik gilt als Vertreter der alten Eliten rund um den gestürzten Präsidenten Husni Mubarak. Außerdem soll er dem regierenden Militärrat nahe stehen. Der ehemalige Luftwaffenoffizier hat versprochen, in Ägypten für Recht und Ordnung zu sorgen.

Mursi repräsentiert die gemäßigten Islamisten und versteht sich als Kämpfer gegen eine Rückkehr des alten Regimes. Zuletzt hatte er im Wahlkampf den Schwerpunkt auf die Wirtschaft gelegt und weniger radikale Ansichten bei gesellschaftspolitischen Themen geäußert.

„Die Revolution ist uns gestohlen worden“

Sie stimmten nicht für einen Kandidaten, sondern gegen den anderen, erklärten einige Wähler. Sie wollten entweder Schafik als Repräsentant des alten Systems verhindern oder befürchten zu starke islamistische Töne unter Muslimbruder Mursi.

„Die Revolution ist uns gestohlen worden“, sagte der Händler Nabil Abdel Fatah vor einem Wahllokal im Kairoer Arbeiterviertel Imbaba. Er werde für Schafik stimmen. „Ihn werden wir leicht wieder los, wenn wir wollen. Aber die Bruderschaft wird sich an die Macht klammern“, sagte er. Amin Sajed wollte die Wahl zunächst boykottieren, entschied sich dann aber doch dafür, die Muslimbruderschaft zu unterstützen. „Ich bin gekommen, um für die Bruderschaft und die Revolution und gegen den Militärrat zu stimmen“, sagte er. „Wenn Schafik gewinnt, werden wir wieder auf die Straße gehen.“

Panetta mahnt Demokratisierung an

Die Wahl am Wochenende ist den Vorgaben zufolge der letzte Schritt im Prozess der Machtübergabe vom Militärrat an die zivilen Institutionen im Land. Unklar ist allerdings noch immer, inwieweit die Generäle ihr Versprechen halten und am 1. Juli die Verantwortung tatsächlich auf den neu gewählten Präsidenten übertragen. Nach der jüngsten Entscheidung des Verfassungsgerichts, das Parlament aufzulösen, liegen die legislativen Befugnisse bei den Generälen.

Das Urteil hat die Unsicherheit über die politische Zukunft Ägyptens weiter geschürt. US-Verteidigungsminister Leon Panetta äußerte seine Sorge in einem Telefonat mit Feldmarschall Hussein Tantawi, in dem er die Notwendigkeit eines „vollständigen und friedlichen Übergangs zur Demokratie“ unterstrich.

Berichte über gravierende Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung am Samstag lagen zunächst nicht vor. Mehrere internationale und ägyptische Beobachtergruppen waren in den Wahllokalen im Einsatz. In zwei Provinzen kam es zu Handgemengen zwischen Anhängern beider Kandidaten. In der Provinz Gharbija wurden drei Menschen bei Schießereien verletzt.

Erste Teilresultate der Präsidentenstichwahl dürften am Montag bekannt werden, mit dem amtlichen Endergebnis wird am kommenden Donnerstag gerechnet. (dapd)