Bei der Präsidentenwahl in Ägypten können sich die Wähler nur zwischen einem Islamisten und einem Überbleibsel des alten Regimes entscheiden.

Kairo. Überschattet vom politischen Chaos nach der Auflösung des neuen Parlaments wählen die Ägypter einen Präsidenten. 16 Monate nach dem Rücktritt von Langzeitmachthaber Husni Mubarak können sie sich am Sonnabend und Sonntag zwischen dem Mitglied des alten Regimes, Ahmed Schafik, und dem Islamisten, Mohammed Mursi, entscheiden. Zur Stichwahl sind rund 52 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen. Die Auszählung soll am Montag beendet werden. Die Wahlkommission will das offizielle amtliche Endergebnis erst am kommenden Freitag (22. Juni) veröffentlichen.

Ägypten hatte wenige Tage vor der Wahl ein politisches Erdbeben erlebt, als das Verfassungsgericht am Donnerstag überraschend das Parlament aufgelöst hatte. Der Grund: Es soll vor vier Monaten auf der Grundlage eines verfassungswidrigen Wahlgesetzes gewählt worden sein.

Mubarak musste im Februar vergangenen Jahres nach Massenprotesten zurücktreten. Danach hatte ein Militärrat die Macht übernommen. Nach der Auflösung des Parlaments ist nun wieder fraglich, ob die Generäle bis Ende Juni die Macht an eine gewählte zivile Regierung übergeben.

Die erste Wahlrunde im Mai ging geordnet über die Bühne. Mursi hatte mit knapp 25 Prozent der Stimmen die Nase vor Schafik, der auf 24 Prozent kam. Der weltliche Linke Hamdien Sabbahi, der gemäßigte Islamist Abdel Moneim Abul Futuh und der ehemalige Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa, schieden aus.

Für die sogenannte Revolutionsjugend, die die Massenproteste gegen Mubarak getragen hatte, bedeutete das Ergebnis eine herbe Enttäuschung. Ihr Scheitern verdankte sich dem Umstand, dass sich ihr Stimmpotenzial auf Sabbahi (21 Prozent), Abul Futuh (18 Prozent) und andere Kandidaten verteilte.

Schafik gilt den Linken und Islamisten als „felul“, als Überbleibsel des Mubarak-Regimes. Tatsächlich diente er diesem als General, Luftfahrtminister und zuletzt sogar als Ministerpräsident, zu dem ihn Mubarak auf dem Höhepunkt der Massenproteste ernannte. Vielen weltlichen Ägyptern erscheint er allerdings gegenüber dem von der konservativen Muslimbruderschaft nominierten Konkurrenten Mursi als das geringere Übel. (dpa)