50 Millionen Ägypter sind am Mittwoch und Donnerstag zur Wahl des Präsidenten aufgerufen. Ein Wähler: “Wir wollen besser leben - wie Menschen“.

Kairo. Fast anderthalb Jahre nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Husni Mubarak findet in Ägypten die erste freie Präsidentenwahl statt. 50 Millionen Wahlberechtigte waren am Mittwoch und Donnerstag aufgerufen, einen von 13 Kandidaten ins höchste Amt zu wählen. Favorisiert waren je zwei Kandidaten mit Verbindungen zum Mubarak-Regime und zwei Vertreter muslimischer Parteien. Ein Erstrundensieg galt als unwahrscheinlich, am 16. und 17. Juni wird es voraussichtlich eine Stichwahl der beiden Erstplatzierten geben. Am Vorabend der Wahl ist ein Polizist wegen eines politischen Konflikts erschossen worden.

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Der Beamte geriet am Dienstagabend im Armenviertel Schubra in einen Schusswechsel zwischen Anhängern unterschiedlicher Kandidaten, verlautete am Mittwoch aus ägyptischen Sicherheitskreisen. Die Wahl selbst verlief in den ersten Stunden friedlich.

Vor den Wahllokalen bildeten sich am Mittwoch lange Schlangen. Viele der Wartenden sagten, sie hofften auf eine bessere Zukunft. „Ich kann innerhalb weniger Monate sterben, ich bin für meine Kinder gekommen, damit sie leben können“, sagte der krebskranke Medhat Ibrahim. „Wir wollen besser leben - wie Menschen.“ Der 58-jährige wartete in einem Armenviertel Kairos darauf, seine Stimme abgeben zu können.

Die Militärführung, die nach dem Sturz Mubaraks offiziell die Macht übernommen hat, will diese am 1. Juli dem frei gewählten Präsidenten übergeben. Die Bekanntgabe des Wahlsiegers ist für den 21. Juni angekündigt – nach einer Stichwahl.

Die größte muslimische Partei, die Muslimbrüderschaft, will im Falle eines Sieges eine moderate Version des islamischen Rechts einführen. Ihr Kandidat ist Mohammed Morsi. Der zweite religiös orientierte Favorit ist Moneim Abolfotoh, dessen Programm auch von liberalen, linken und christlichen Bürgern unterstützt wird. Die weltlichen Favoriten sind alte Bekannte aus dem Mubarak-Establishment: Der frühere Ministerpräsident Ahmed Schafik und der frühere Außenminister Amr Mussa. Ihre Gegner sagen, dass sie wenig am autokratischen System ändern wollen.

Gewählt wird der fünfte Präsident seit dem Sturz der Monarchie vor 60 Jahren. Seit 1952 ist Ägypten von Präsidenten regiert worden, die aus dem Militär hervorgegangen waren: Mohammed Nagib, Gamal Abdel Nasser, Anwar Sadat und – 29 Jahre lang – Mubarak.

Keine Chance, in die Stichwahl zu kommen, hat nach Einschätzung von Beobachtern der Kandidat, der den revolutionären Kräften am nächsten kommt: der Menschenrechtsanwalt Chaled Ali. „Wir werden einen gewählten Präsidenten haben, aber es gibt weiter die Streitkräfte und das alte Regime ist nicht abgeschafft,“ sagte einer der Führer der Protestbewegung gegen Mubarak, Ahmed Maher. „Aber der Druck wird weiter anhalten. Wir werden nicht schlafen. Das Volk ist endlich aufgewacht. Wer immer der nächste Präsident sein wird, wir werden ihn nicht in Ruhe lassen.“

Mit Material von dpa/dapd