Berlin. Beliebt, unbeliebt, Olaf Scholz: Laut „New York Times“ ist der Kanzler einer der unbeliebtesten Politiker weltweit. Woran liegt das?

2024 ist etwa die Hälfte der Weltbevölkerung zu Wahlen aufgerufen. In Deutschland dürfte Olaf Scholz (65/SPD) froh darüber sein, dass der nächste Bundestag turnusmäßig erst im September 2025 gewählt wird. Denn geht es um seine aktuelle Popularität, ist noch viel Luft nach oben.

Laut der „New York Times“ ist er der unbeliebteste Regierungschef im Kreis der führenden Staaten der westlichen Welt. Was fängt er bloß mit so einem Ranking an? Am besten schaut er drauf wie auf ein Gemälde von Georg Baselitz: Die Motive stehen auf dem Kopf. Unten ist oben. Dann wird es erträglicher.

Olaf Scholz: Im Club der ungebliebten Regierungschefs

Der Sozialdemokrat konnte bisher gut damit leben, unterschätzt zu werden. Darauf spielte der Kanzler Mitte Februar an, als er eine Schule in Potsdam besuchte. Den Schülern rief er in Erinnerung, dass bei der letzten Bundestagswahl niemand geglaubt habe, „dass die SPD mit einem so guten Ergebnis abschneidet, wie das der Fall gewesen ist“.

Tröstlich mag nicht nur die Erinnerung an bessere Zeiten sein – und die Beschwörung ihrer Wiederholung –, sondern auch das Wissen, dass es vielen seiner Kolleginnen und Kollegen ähnlich gut geht. Besser gesagt: ähnlich schlecht.

Die „New York Times“ hat weltweit Zustimmungswerte in Umfragen (zwischen dem 29. Februar und dem 6. März) verglichen und festgestellt, dass die Popularitätsraten der Regierenden in fast jedem befragten Land dürftig waren. Leiden sie unter einem kollektivem Missmut im Westen?

Europa: Die Wutthemen ähneln sich

Scholz wurde demnach von 73 Prozent der Deutschen abgelehnt. Der französische Präsident Emmanuel Macron schneidet nur geringfügig besser ab (71 Prozent), knapp vor Japans Premier Fumio Kishida (70 Prozent). Der Brite Rishi Sunak kommt auf 66 Prozent Ablehnung. In der EU ist nur der Tscheschische Regierungschef Petr Fiala noch unbeliebter bei seinen Landsleuten. Ihn lehnen sogar 76 Prozent ab.

Halbwegs beneiden kann der Kanzler in Europa die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni (51 Prozent), seinen belgischen Amtskollegen Alexander De Croo (46 Pozent) und besonders den neuen polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk (40 Prozent). Im Kreis der „global player“ erstaunt, wie viel Zustimmung der indische Premier Narendra Modi erfährt. Nur 16 Prozent seiner Wähler lehnen ihn ab. US-Präsident Joe Biden wird von 54 Prozent der Amerikaner abgelehnt. Er hat tatsächlich und eher als Scholz Grund zur Sorge. Denn in einem guten halben Jahr steht er zur Wahl.

Inflation, Zuwanderung, Ungleichheit – das sorgt für Verstimmung

Die Gründe für die um sich grassierende Ablehnung sieht die „New York Times“ in der Inflation, in der Zuwanderung, aber auch in der wachsenden sozialen Ungleichheit. Das sind in vielen westeuropäischen Staaten langfristige Probleme und zugleich so etwas wie Wutthemen, umgekehrt: die Treiberfaktoren für den Erfolg populistischer Parteien.

Auf ein spezifisch europäisches Problem geht die Zeitung nicht explizit ein: den Ukraine-Krieg. Er dürfte zugleich der Grund sein, warum Scholz in der gleichen Umfrage heute – nur vier Wochen später – besser abschneiden würde. Die Mehrheit der Deutschen findet es gut, dass er der Ukraine Waffen wie den Taurus-Marschflugkörper verweigert. Als „Friedenskanzler“ kann er ein Chartstürmer werden, zumindest ein One-Hit-Wunder.

Auch interessant: Der „Taurus“ ist einzigartig, für Scholz einzigartig brisant