Berlin. Die Visite von King Charles in Frankreich wird wegen der Proteste verschoben. Umso herzlicher sollte der Empfang in Deutschland sein.

Es hätte eine besondere Reise werden sollen. Eine, die den Blick nach vorn lenkt – nach all den Querelen der vergangenen Jahre. Der britische König Charles III. wollte in der kommenden Woche gemeinsam mit Gemahlin Camilla erst Frankreich und dann Deutschland besuchen, die beiden großen Kernstaaten der Europäischen Union. Seine erste Auslandsreise sollte den neuen Monarchen noch vor der Krönung damit nicht ins Commonwealth führen, sondern zu den beiden wichtigsten Partnern Großbritanniens auf dem Kontinent.

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Das Staatsoberhaupt reist nie auf eigene Faust, sondern stets nach Rücksprache und Beratung mit der eigenen Regierung. Die Botschaft, die London senden wollte und will, lautet: Wir schlagen nach dem Brexit ein neues Kapitel auf. Wir sind und bleiben enge Freunde.

Doch nun das: Zumindest der erste Teil, die Visite in Frankreich von Sonntag bis Mittwoch, findet nicht statt. Sie wurde auf Initiative des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron auf unbestimmte Zeit verschoben. Grund sind die heftigen Proteste gegen die Rentenreform im Nachbarland. Charles‘ Besuch in Deutschland soll hingegen wie geplant stattfinden. Er kommt am Mittwoch zunächst nach Berlin und reist am Freitag nach Hamburg weiter.

Großbritannien: Der Ruf in Europa ist ruiniert

Thorsten Knuf ist Politik-Korrespondent
Thorsten Knuf ist Politik-Korrespondent © Reto Klar | Reto Klar

Man kann die Absage des Frankreich-Teils durchaus als logische Fortsetzung des europäisch-britischen Kuddelmuddels der vergangenen Jahre betrachten. Als EU-Mitglied fremdelte das Vereinigte Königreich stets mit seiner Zugehörigkeit zum europäischen Club. Als es sich 2016 dazu entschloss, die Gemeinschaft zu verlassen, begann eine Phase des Chaos und der Unberechenbarkeit, die bis heute anhält. Großbritanniens Ruf in Europa ist ruiniert, das Land steckt in jeder Hinsicht in der Krise.

Die Briten haben die Europäer in den vergangenen Jahren ohne Unterlass mit ihren eigenen Befindlichkeiten behelligt. Es ist dem König deshalb jetzt durchaus zuzumuten, dass ein Gastgeber wegen Problemen daheim den vereinbarten Besuch verschieben lässt. Bei den Rentenprotesten in Frankreich eskaliert die Gewalt. Für Dienstag rufen die Gewerkschaften zu einem weiteren landesweiten Streiktag auf. Barrikaden brennen, in den Straßen von Paris türmt sich der Müll.

Das ist bestimmt nicht das richtige Ambiente für einen Staatsbesuch. Vollkommen abgehoben wäre gewesen, wie geplant im Protz-Ambiente des Schlosses von Versailles ein Bankett für den britischen Monarchen zu veranstalten. Das ist offenbar selbst Präsident Macron aufgefallen, der ansonsten den republikanischen Protz liebt.

Staatsbesuch: Deutschland verdankt den Briten unendlich viel

Nun obliegt es den Deutschen, die Situation für alle Beteiligten einigermaßen zu retten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betont, dass er sich sehr auf seinen Gast freue. Steinmeier wird am Mittwoch nicht nur als deutsches Staatsoberhaupt den König empfangen, sondern gewissermaßen stellvertretend als Repräsentant aller Europäer.

Man muss kein Monarchist sein, um den britischen Monarchen mit Freude in Deutschland zu begrüßen und ihm alles Gute für seine sehr politische Mission zu wünschen. Charles unterhält seit jeher enge Beziehungen nach Deutschland. Er ist ein politischer Mensch, ein Kämpfer für den Umwelt- und Klimaschutz.

Vor allem aber ist der König der oberste Repräsentant eines Landes, das sich zwar auf Abwege begeben hat, an dessen Wohlergehen und Stabilität die Europäer aber größtes Interesse haben sollten. Gerade die Deutschen verdanken den Briten unendlich viel – darunter ihre Freiheit und ihre Einheit. Das sollten sie niemals vergessen.