Paris. Aus Charles’ erstem Frankreich-Besuch als König wird nichts – die Reformgegner haben gewonnen. Für Macron ist das hochnotpeinlich.

Man stelle sich vor, dass König Charles III. gemeinsam mit Emmanuel Macron im offenen Wagen und flankiert von 140 berittenen Soldaten der republikanischen Garde über die Pariser Prachtstraße Champs-Elysées defiliert und dabei von einem Buh-und Pfeifkonzert erbitterter Gegner der soeben verabschiedeten Rentenreform begleitet wird. Oder dass der Ehrenkorso sogar wegen Auseinandersetzungen zwischen der protestierenden Menge und den Ordnungshütern aufgehalten wird.

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Noch vor seiner im Mai anstehenden Krönung wollte Charles III. mit Gattin Camilla Frankreich seinen ersten Staatsbesuch abstatten, dem unmittelbar ein zweiter in Deutschland folgen sollte. Der Ehrenkorso auf den Champs-Elysée stand dabei als einer der Höhepunkte ebenso auf dem Programm wie ein prunkvolles Staatsbankett im Schloss von Versailles oder eine als volksnah ausgelobte Weinprobe in Bordeaux. In Südfrankreich wollte er sich die Schäden, die der Klimawandel dem Waldbestand durch Trockenheit und Brände zugefügt hat, anschauen. Doch daraus wird nun nichts.

Angesichts der am Donnerstag erstmals von schweren Ausschreitungen überschatteten Massenproteste in den meisten Großstädten Frankreichs machte sich die Überzeugung breit, dass Charles der Staatsbesuch in einem Land in Aufruhr nicht zuzumuten sei. Zumal die Gewerkschaften den kommenden Dienstag als 10. Aktionstag gegen die Rentenreform ausgerufen haben und es erneut zu landesweiten Demonstrationen und Streiks kommen dürfte, die den Abstecher nach Bordeaux wohl vereitelt hätten.

Aktivisten wollten Besuch in Spießrutenlauf verwandeln

Wenn die Absage des Staatsbesuchs für Frankreichs Präsidenten fraglos hochnotpeinlich ist, so stellt sie für den britischen König ebenso fraglos eine große Enttäuschung dar. Charles, der die Sprache Voltaires gut beherrscht, ist ein großer Fan Frankreichs, welchem er als Thronfolger nicht weniger als 34 offizielle Besuche abgestattet hat – mehr noch als Deutschland, das er etwa 30 Mal besuchte. Aber als seine erste Frankreich-Visite als britischer Monarch anlässlich des Begräbnisses seiner Mutter verabredet wurde, konnte niemand ahnen, dass sich der auserkorene Zeitpunkt als so problematisch entpuppen würde.

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Eigentlich wollte der französische Präsident dem britischen König einen betont prächtigen und warmherzigen Empfang bereiten – auch weil Frankreich und Großbritannien nach jahrelangem Brexit-, Fischerei- und Migrationsstreitereien soeben erst eine Wiederannäherung eingeleitet haben. Doch die heftigen Proteste gegen die von Macron durchgeboxte Rentenreform drohten, den Staatsbesuch in einen Spießrutenlauf zu verwandeln.

Charles III. und Camilla sind in Frankreich: Mit den wütenden Franzosen sollen sie aber lieber nicht in Kontakt kommen.
Charles III. und Camilla sind in Frankreich: Mit den wütenden Franzosen sollen sie aber lieber nicht in Kontakt kommen. © AFP | Oli Scarff

Reformgegner hatten in den sozialen Netzwerken unter anderem angekündigt, die Zugfahrt zur Weinprobe in Bordeaux be- oder verhindern zu wollen. In der Nacht zum Freitag hatten Demonstranten dort das Portal des Rathauses in Brand gesetzt. Den Anblick wollte man Charles wohl ersparen. Auch in Versailles waren Proteste angekündigt worden.

Ein Staatsbesuch abgeschirmt von den Franzosen - keine Option

In Paris hatte man ursprünglich durchaus vorgesehen, der aufgeheizten Stimmung Rechnung zu tragen und die Sicherheitsvorkehrungen für den von radikalen Reformgegnern als „königliche Sause inmitten einer sozialen Krise“ verteufelten Staatsbesuch beträchtlich erhöht. Sogar Programmänderungen wurden ins Auge gefasst, die den Glamourfaktor des Königbesuchs deutlich geschmälert hätten.

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So wurde ernsthaft erwogen, den rauschenden Empfang in Versailles abzusagen und ihn in den Elysée-Palast zu verlegen, um die rund zweihundert geladenen Gäste besser gegen unschöne Störmanöver „abschirmen“ zu können. Auch andere Ereignisse seien „überdacht“ worden, bei denen Charles III. oder Camilla womöglich in allzu engen Kontakt mit Protestaktionen geraten wären.

Doch ein königlicher Staatsbesuch, der abgeschottet von den Franzosen stattfindet, war offenbar für beide Seiten letztlich die schlechtere Option als eine Verschiebung auf unbestimmte Zeit. Charles soll nach Angaben des Elysée nun später in Frankreich empfangen werden – „unter Bedingungen, die unserer Freundschaft entsprechen“, wie es hieß.