Berlin . Seit einer Woche läuft die ukrainische Gegenoffensive. Werden die Russen zurückgedrängt, wird der Fluss Dnipro zur neuen Trennlinie?

Eine Woche nach Beginn der ukrainischen Gegenoffensive lichtet sich der Nebel des Krieges etwas. Von einem raschen Befreiungsschlag kann keine Rede sein. Im Süden erringen die ukrainischen Truppen kleine Geländegewinne und drängen die Russen zurück. Im Osten erhöhen die Truppen von Kremlchef Wladimir Putin den Druck auf Charkiw. Insgesamt kommt der russische Vormarsch im Donbass dort allerdings kaum voran.

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Die Ukraine macht kaum Angaben über die Offensive – Präsident Wolodymyr Selenskyj bleibt bewusst vage –, vor allem nicht über ihre Verluste. Augenzeugenberichte über überfüllte Krankenhäuser und Aufrufe zum Blutspenden im Süden sind allerdings ein untrügerischer Hinweis darauf, dass die Gefechte heftig sind und der Blutzoll auch für Kiew hoch ist.

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Dass die Truppen von Oberbefehlshaber Waleryj Saluschnyj nicht erfolglos sind, sieht man zum einen daran, dass Russland Angriffe auf Ortschaften gestartet hat, die zuvor unter seiner Kontrolle waren. Zum anderen wird die für September geplante Volksabstimmung in Cherson über einen Anschluss an Russland verschoben. Ein Rückschlag, der auf eine brisante Sicherheitslage schließen lässt. Die Offensive dürfte sich wochenlang hinziehen.

Ukraine-Krieg: Keine offene Schlacht um Cherson

Die Ziele der Ukraine: Vor Wintereinbruch ihre Ausgangslage verbessern und den Gegner Richtung Dnipro drängen. Der Fluss, eine natürliche Grenze, wäre im Erfolgsfall die Trennlinie zwischen den Kriegsparteien.

Das würde voraussetzen, dass sich Putins Soldaten über den Fluss zurückziehen müssten und Cherson nicht länger halten können. Es ist die einzige Provinzhauptstadt, die Russland im Laufe der Invasion, gleich zu Beginn, in seine Gewalt bringen konnte.

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Die ukrainischen Streitkräfte stoßen im Süden entlang von drei Achsen vor. Im Norden sollen sie russische Truppen zurückgedrängt, im mittleren Abschnitt den Fluss Inhulez überschritten und mehrere Ortschaften eingenommen haben. Weniger Erfolgsmeldungen vernimmt man aus der Stadt Cherson.

Ukraine-Krieg: Russen mit Versorgungsengpässen

Der US-Militärexperte Michael Kofmann bezweifelt, dass die Ukraine einen offenen Kampf um die Metropole anstrebt. Der Preis dafür wäre zu hoch: zu viele Verluste und Zerstörungen. Das Kalkül ist, vermutet er auf Twitter, eine Verstärkung unmöglich zu machen und wie auf der Schlangeninsel einen russischen Rückzug zu erzwingen.

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Wochenlang hatte das ukrainische Militär die Gegenoffensive mit Angriffen hinter der Frontlinie vorbereitet: auf Kommunikation und Versorgung der Russen, auf Munitionsdepots, strategisch relevante Wege und im Süden immer wieder auf Brücken, zuletzt etwa auf die Antoniwkabrücke, die nun nicht mehr befahren werden kann. Allein hier wollen die Ukrainer 30 russische Soldaten, mehrere Panzer und Lastwagen sowie ein Flugabwehrraketensystem zerstört haben.

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Laut "The Guardian" kaufte Russland zuletzt eine große Zahl von Raketen und Artilleriegranaten aus Nordkorea. Zuvor soll die Moskauer Regierung iranische Drohnen geordert habe. Das erhärtet den Verdacht, dass Putins Truppen nach über sechs Monaten im Ukraine-Krieg unter Versorgungsengpässen leiden. Die westliche Unterstützung, die Ausweitung ihrer Militärhilfe, hat zur Folge, dass der vielfach prognostizierte Abnutzungskrieg jedenfalls nicht zwangsläufig zu Gunsten Russlands ausgehen muss.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.morgenpost.de.