Kiel/Berlin. Vor dem drohenden Wahldebakel in Bayern herrscht Streit in der CSU. Währenddessen sucht die CDU Lösungen für die Zeit nach Merkel.

Man kann CSU-Chef Horst Seehofer nicht vorwerfen, dass er Konflikten ausweicht. Einen Tag bevor er in Ingolstadt Markus Söder persönlich zu einem Wahlkampftermin trifft, stichelt der Innenminister gegen seinen langjährigen Rivalen und Nachfolger als bayerischer Ministerpräsident: Er sei „grundsätzlich davon überzeugt“, dass eine absolute Mehrheit für die CSU in Bayern immer noch möglich sei, erklärte Seehofer in der „Welt am Sonntag“ – und legte damit die Latte für den Nachfolger fast unerreichbar hoch.

Seehofer denkt nicht ans Aufhören

Denn die Umfragen sagen, wie Seehofer wohl weiß, anderes. Bei 35 Prozent und weniger liegen die Christsozialen in den jüngsten Vorhersagen der Meinungsforscher, weit entfernt von der absoluten Mehrheit. Eine Woche vor der Bayernwahl und der möglichen Katastrophe für die CSU haben zwischen München und Berlin die Schuldzuweisungen begonnen.

Söder: "Landtagswahl ist keine verdeckte Berlinwahl"

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    Söder sieht die schlechten Werte geprägt von der Bundespolitik, spricht von einem „Denkzettel für Berlin“ und nimmt damit Seehofer in die Pflicht. In München ist man sich recht einig, wem man eine mögliche Niederlage in die Schuhe schieben könnte. Es wird kolportiert, dass der 69 Jahre alte Seehofer dann als Parteichef und Innenminister zurücktreten müsste und bei möglichen Koalitionsgesprächen keine größere Rolle mehr einnehmen würde.

    Doch Seehofer wäre nicht Seehofer, wenn er klein beigeben würde. So ließ er am Wochenende seine Partei wissen, dass er überhaupt nicht daran denke, sich aufs Abstellgleis schieben zu lassen. Er wolle auch nach der Landtagswahl CSU-Chef und Bundesinnenminister bleiben, machte er mehr als deutlich. Auf eine entsprechende Frage antwortete Seehofer: „Natürlich! Ich habe ein großes Werk zu verrichten.“

    Dass der Konflikt der beiden langjährigen Rivalen wieder aufgeflammt ist, sorgt auch in der Schwesterpartei für Unruhe. Franz Josef Strauß würde einen „Pfifferling“ auf diese Umfragen geben, sagte Annegret Kramp-Karrenbauer am Sonntag beim Deutschlandtag der Jungen Union in Kiel. Und sicherlich würde er auch nicht „eine Woche vorher öffentlich anfangen, darüber zu reden, wer Schuld ist an der Niederlage“, so die CDU-Generalsekretärin. „Wenn wir das tun, wer soll uns denn dann wählen?“

    „Wir müssen kämpfen, dass wir wieder nach oben kommen!“

    Die Frage, das zeigte das dreitägige Treffen des Parteinachwuchses am Wochenende, treibt die CDU-Spitze um. Denn auch die Schwesterpartei der CSU rutscht in Umfragen immer weiter ab. Kramp-Karrenbauer gab am Sonntag eine kämpferische Antwort. Es reiche nicht, darauf zu setzen, dass man gute Regierungsarbeit leiste und den Menschen sage, man hätte Schlimmeres verhindert. „Wir müssen kämpfen, dass wir wieder nach oben kommen!“, rief Kramp-Karrenbauer und wurde dafür von den Delegierten gefeiert.

    Am Vortag wurde auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in Kiel bejubelt, für einen Auftritt, den man als eine Art Bewerbung für höhere Posten in der Partei interpretieren konnte. Spahn wird, ebenso wie Kramp-Karrenbauer, als möglicher Kandidat für die Parteispitze in einer Zeit nach Merkel gehandelt.

    Der 38-Jährige beschränkte sich am Sonnabend daher auch nicht auf Gesundheitspolitik. Das Land sei „aufgewühlt“, erklärte Spahn. Bei der aktuellen Stimmung könnten „Chemnitz oder Köthen überall sein“. Immer mehr Menschen glaubten nicht mehr an das Versprechen, dass es ihren Kindern einmal besser gehen würde.

    Für Spahn es ein Heimspiel

    Für Spahn, der mit JU-Chef Paul Ziemiak befreundet ist, war der Auftritt ein Heimspiel. Der Nachwuchs schätzt sein markantes Eintreten für konservative Werte, seinen Fokus auf wirtschaftliche und soziale Themen und vor allem seine Ablehnung von Merkels Flüchtlingspolitik.

    Doch Spahn weiß auch, dass er zwar die Unterstützung des Wirtschaftsflügels in der Partei genießt, doch schon in seinem Landesverband NRW folgen ihm nicht alle. Mit Ministerpräsident Armin Laschet gibt es jemanden, der für einen deutlich gemäßigteren Kurs der Mitte steht und eine Verschiebung der CDU nach rechts ablehnt. Laschet konnte mit seiner Rede am Freitag beim Parteinachwuchs ebenfalls punkten.

    Doch auch für Kramp-Karrenbauer kommt die Nachfolgedebatte zu früh. Die 56-jährige ehemalige saarländische Ministerpräsidentin ist gerade dabei, die Partei hinter sich zu sammeln. Sie kommt an bei den Mitgliedern, doch sollte es um eine Abrechnung mit dem Merkel-Lager gehen, könnte sie auch beschädigt werden.

    Merkel - Koalition mitverantwortlich für schlechte Umfragen

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      Merkel, die am Sonnabend vor die 14- bis 35-Jährigen trat, übte sich in Kiel in Selbstkritik: Dass auf die lange Phase der Regierungsbildung nicht Sachpolitik, sondern vor allem Streit unter den Koalitionspartnern folgte, sei „aus meiner Sicht enttäuschend“, sagte Merkel. So erklärten sich auch die Umfragewerte: „Wir können, nachdem wir das etliche Monate gemacht haben, genau ablesen, wohin das führt.“

      Ob die miserablen Umfragewerte der Union tatsächlich die Stimmung der Wähler abbilden, werden die Wahlen in Hessen und Bayern zeigen. Unabhängig vom Ausgang stellten Seehofer und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) klar: Koalitionen mit der AfD werde es keine geben.

      Ob diese Brandmauer 2019 noch hält, ist offen: Dann wählen Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Der JU-Vorsitzende von Brandenburg, Julian Brüning, erklärte am Sonnabend jedenfalls, man werde nach der Wahl mit allen reden.