Berlin. Union und SPD ringen um den Abschluss der Koalitionsgespräche. Die SPD erlebt vor der Abstimmung über die GroKo einen Mitgliederboom.

Schneidig kalt ist die Luft vor dem Willy-Brandt-Haus. Im Morgengrauen haben sich Greenpeace-Aktivisten an die SPD-Parteizentrale in Berlin-Kreuzberg herangeschlichen. Sie schichten riesige Eisblöcke aufeinander – das ergibt die Jahreszahl 2020. Ein frostiger Protest der Umweltschützer gegen die ihrer Ansicht nach unambitionierte Klimaschutzpolitik der angehenden schwarz-roten Koalitionäre.

Als Angela Merkel, einst als Klimakanzlerin weltweit gefeiert, eintrifft, sind die Eisblöcke längst von der Polizei weggeräumt worden. Um 9.35 Uhr kommt CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer gut gelaunt an. Er hat Bananen mitgebracht, in einem Jutebeutel mit Bundesadler-Aufdruck. Freut sich da einer schon auf Ministerwürden?

Seehofer kriegt doch nicht den 16.05-Uhr-Zug nach München

Eine halbe Stunde später tritt der Gastgeber auf. Martin Schulz sieht ein bisschen verloren aus, wie er einsam vor dem Mikrofon im Atrium steht und dem in Bronze gegossenen SPD-Übervater Willy Brandt in die Augen schaut. Trotzig sagt Schulz, er lasse sich von Uhrzeiten nicht unter Druck setzen. Damit ist CSU-Chef Horst Seehofer gemeint. Dieser hatte am Wochenende mehrfach betont, er wolle am Sonntag um 16.05 vom Berliner Hauptbahnhof einen ICE nach München nehmen. Davon muss sich Seehofer aber ziemlich früh verabschieden.

Julia Klöckner, die CDU-Vize aus Rheinland-Pfalz, die als kommende Landwirtschaftsministerin gehandelt wird, nutzt den Leerlauf, um zum Gottesdienst in die St.-Ludwig-Kirche in Berlin-Wilmersdorf zu fahren. „Möge der Koalitionsvertrag gelingen und Gutes für die Bürger und unser Land bringen“, twittert sie.

SPD-Ministerpräsident sieht „totales Führungsversagen“

Nicht alle in der Union sind einem Bündnis mit der SPD wohlgesonnen. Bei der Morgenlektüre muss Schulz eine Breitseite verdauen. Sachsens neuer Ministerpräsident Michael Kretschmer spricht in der „Bild am Sonntag“ von einem „totalen Führungsversagen“, dass die SPD in so einem schlechten Zustand sei.

„Mir tut es leid zu sehen, wie viele in der SPD durch den Wind sind.“ Selbst gute Fachleute hätten in den Verhandlungen eine Schere im Kopf, aus Angst, dass die Ergebnisse beim Mitgliederentscheid durchfallen. „Wenn es so weitergeht, wird es schwierig werden“, lautet Kretschmers düstere Prognose für die Zusammenarbeit mit den Genossen.

Differenzen bei Gesundheit und Arbeitsverträgen

Am frühen Abend dringt aus der Chefrunde dann heraus, dass der Koalitionsvertrag aller Voraussicht nach doch nicht mehr am Sonntag, sondern erst am Montag fertig sein soll. Zu groß sind die Differenzen bei der Zwei-Klassen-Medizin und befristeten Arbeitsverträgen. In einem Nebenraum wird jedoch bereits am Vertrag gefeilt.

Wichtigste Vorgabe von Merkel, Seehofer und Schulz: Der Text soll „Aufbruch“ vermitteln. Für Europa, bei der Digitalisierung, für den sozialen Zusammenhalt, um die AfD kleinzuhalten. Aber wie glaubwürdig können die angeschlagenen Merkel, Seehofer und Schulz diese Vision überhaupt noch vertreten? Merkel will ihre Macht um jeden Preis erhalten, Seehofer seine Karriere in einem großen Ministerium ausklingen lassen. Mit Schulz können selbst Wohlmeinende in der SPD keinen Aufbruch mehr verbinden.

Das sind die Verlierer des Jahres in der Politik

In einer exklusiven Umfrage für unsere Redaktion hat das Meinungsforschungsinstitut Kantar Emnid nach den Verlierern des Jahres unter den Politikern gefragt. Markus Söder schnitt dabei noch am besten ab. Nur 23 Prozent der Befragten sehen den CSU-Mann als einen Verlierer.
In einer exklusiven Umfrage für unsere Redaktion hat das Meinungsforschungsinstitut Kantar Emnid nach den Verlierern des Jahres unter den Politikern gefragt. Markus Söder schnitt dabei noch am besten ab. Nur 23 Prozent der Befragten sehen den CSU-Mann als einen Verlierer. © REUTERS | MICHAELA REHLE
Neben Söder blieb nur ein weiterer unter der 40-Prozent-Hürde: Cem Özdemir. Den Bundesvorsitzenden der Grünen sehen nur 34 Prozent der Befragten als Verlierer an. 45 Prozent werten ihn gar als Gewinner – Top-Wert in unserer Umfrage.
Neben Söder blieb nur ein weiterer unter der 40-Prozent-Hürde: Cem Özdemir. Den Bundesvorsitzenden der Grünen sehen nur 34 Prozent der Befragten als Verlierer an. 45 Prozent werten ihn gar als Gewinner – Top-Wert in unserer Umfrage. © dpa | Sebastian Gollnow
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner hat nach dem Aus der Jamaika-Verhandlungen an Zustimmung verloren. 40 Prozent der Befragten sehen in dem Mann, der die FDP zurück in den Bundestag geführt hat, einen Verlierer.
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner hat nach dem Aus der Jamaika-Verhandlungen an Zustimmung verloren. 40 Prozent der Befragten sehen in dem Mann, der die FDP zurück in den Bundestag geführt hat, einen Verlierer. © dpa | Michael Kappeler
Nur wenig besser kommt Sigmar Gabriel (SPD) weg: Den früheren SPD-Chef werten 41 Prozent als Verlierer.
Nur wenig besser kommt Sigmar Gabriel (SPD) weg: Den früheren SPD-Chef werten 41 Prozent als Verlierer. © dpa | Michael Kappeler
AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland führte erstmals eine rechtspopulistische Partei in den Bundestag. Dennoch wird von 42 Prozent der Befragten als Verlierer gesehen, ebenso wie . . .
AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland führte erstmals eine rechtspopulistische Partei in den Bundestag. Dennoch wird von 42 Prozent der Befragten als Verlierer gesehen, ebenso wie . . . © REUTERS | FABIAN BIMMER
. . . Andrea Nahles. Die neue SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag ist eine der wenigen, die trotz der SPD-Schlappe gefestigt erscheinen bei den Sozialdemokraten.
. . . Andrea Nahles. Die neue SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag ist eine der wenigen, die trotz der SPD-Schlappe gefestigt erscheinen bei den Sozialdemokraten. © dpa | Michael Kappeler
Sahra Wagenknecht belegt Platz vier im Ranking der größten Verlierer: 43 Prozent der Befragten sind der Meinung, die Linken-Spitzenfrau habe 2017 an Rückhalt eingebüßt.
Sahra Wagenknecht belegt Platz vier im Ranking der größten Verlierer: 43 Prozent der Befragten sind der Meinung, die Linken-Spitzenfrau habe 2017 an Rückhalt eingebüßt. © dpa | Michael Kappeler
Wie die anderen Chefs der GroKo-Parteien wird auch die Kanzlerin kritisch gesehen. Angela Merkel ist in den Augen von 53 Prozent der Befragten eine Verliererin.
Wie die anderen Chefs der GroKo-Parteien wird auch die Kanzlerin kritisch gesehen. Angela Merkel ist in den Augen von 53 Prozent der Befragten eine Verliererin. © dpa | Boris Roessler
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hat vor allem in Bayern an Rückhalt verloren, Markus Söder wird immer wieder als sein Nachfolger an der Parteispitze gehandelt. 61 Prozent der Teilnehmer unserer Umfrage werten den CSU-Chef daher als Verlierer.
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hat vor allem in Bayern an Rückhalt verloren, Markus Söder wird immer wieder als sein Nachfolger an der Parteispitze gehandelt. 61 Prozent der Teilnehmer unserer Umfrage werten den CSU-Chef daher als Verlierer. © dpa | Sven Hoppe
Unrühmlicher Gewinner dieses Rankings: der SPD-Vorsitzende Martin Schulz. Hoch geflogen war der frühere EU-Parlamentspräsident nach der Ablösung von Sigmar Gabriel, dann aber auch wieder tief gefallen bis zur Bundestagswahl. Für 67 Prozent der von uns Befragten macht ihn das zu einem Verlierer.
Unrühmlicher Gewinner dieses Rankings: der SPD-Vorsitzende Martin Schulz. Hoch geflogen war der frühere EU-Parlamentspräsident nach der Ablösung von Sigmar Gabriel, dann aber auch wieder tief gefallen bis zur Bundestagswahl. Für 67 Prozent der von uns Befragten macht ihn das zu einem Verlierer. © dpa | Michael Kappeler
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Außen- und Finanzministerium für die SPD?

Auf dem 62-Jährigen lastet der größte Druck. Er wird in der SPD massiv unter Druck gesetzt, auf ein Ministeramt und den Vizekanzlerposten zu verzichten. Nur so könne er nach seinen zahlreichen 180-Grad-Manövern einen Rest Glaubwürdigkeit bewahren. Schulz hatte nach der Wahl gesagt, er werde unter Merkel nicht Minister. Davon will er aber nichts mehr wissen.

Die Partei erwartet, dass Schulz wichtige Ressorts für die SPD sichert: Außen, Finanzen und Arbeit sollten es schon sein. Wie in der großen Koalition von 2005 bis 2009. Damals brachte die SPD noch 34,2 Prozent auf die Koalitionswaage. Jetzt liegt die älteste Partei nur noch bei 20 Prozent – Tendenz fallend.

Merkel soll Schulz in den Gesprächen beschieden haben, die Sozialdemokraten könnten Außen- und Finanzministerium bekommen – im Gegenzug dürfte die SPD aber nur noch fünf statt sechs Ministerien anführen. Die Verteilung wollten die Parteichefs ganz am Ende unter sich klären.

Was wird aus Sigmar Gabriel?

Die Namen ihrer künftigen Minister wollen die Parteien bis nach dem Mitgliederentscheid geheim halten. 2013 waren auf Wunsch der SPD die Ministerien erst kurz vor Unterzeichnung des Koalitionsvertrages aufgeteilt worden. Warum Schulz von diesem Verfahren abwich, löste in der SPD-Spitze Irritationen aus. Wochenlang hieß es, Inhalte seien wichtiger als Personen. Nun dürfte Schulz, der bald in zahlreichen Regionalkonferenzen für das schwarz-rote Bündnis werben will, ständig gelöchert werden, ob er Minister wird oder nicht.

Und was wird aus Sigmar Gabriel, dem Architekten der GroKo 2013? Der Goslarer, aktuell der beliebteste Politiker im Land, will Außenminister bleiben. Beansprucht Schulz den Posten für sich und Olaf Scholz wird Finanzminister, könnte es für Gabriel eine Rückkehr ins Wirtschaftsministerium geben – oder seine schillernde Karriere ist vorbei.

Die Karriere von Sigmar Gabriel

Sigmar Gabriel war lange Vorsitzender der SPD und mehrfach Minister in Bundesregierungen. Wir zeigen Stationen seines Wegs in Bildern. Zuletzt war er Außenminister.
Sigmar Gabriel war lange Vorsitzender der SPD und mehrfach Minister in Bundesregierungen. Wir zeigen Stationen seines Wegs in Bildern. Zuletzt war er Außenminister. © dpa | Britta Pedersen
Einen Streit mit Parteikollege Martin Schulz trug Sigmar Gabriel öffentlich aus. Zu seinem Ausscheiden aus dem Ministeramt und dem Weg ins Private zitierte Gabriel gegenüber unserer Redaktion seine Tochter: „Du musst nicht traurig sein, Papa, jetzt hast Du doch mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht.“
Einen Streit mit Parteikollege Martin Schulz trug Sigmar Gabriel öffentlich aus. Zu seinem Ausscheiden aus dem Ministeramt und dem Weg ins Private zitierte Gabriel gegenüber unserer Redaktion seine Tochter: „Du musst nicht traurig sein, Papa, jetzt hast Du doch mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht.“ © dpa | Kay Nietfeld
Sigmar Gabriel bei seinem Sprung in die Spitzenpolitik: Am 15. Dezember 1999 wurde der gebürtige Goslarer als Ministerpräsident Niedersachsens vereidigt. Schon 1977 war er als 18-Jähriger in die SPD eingetreten. Nach einigen Jahren in der Kommunalpolitik zog Gabriel 1990 in den Landtag ein.
Sigmar Gabriel bei seinem Sprung in die Spitzenpolitik: Am 15. Dezember 1999 wurde der gebürtige Goslarer als Ministerpräsident Niedersachsens vereidigt. Schon 1977 war er als 18-Jähriger in die SPD eingetreten. Nach einigen Jahren in der Kommunalpolitik zog Gabriel 1990 in den Landtag ein. © REUTERS | REUTERS / Peter Mueller
Gratulation und Unterstützung gab es besonders von Genosse Gerhard Schröder.
Gratulation und Unterstützung gab es besonders von Genosse Gerhard Schröder. © REUTERS | REUTERS / Christian Charisius
Gabriel war damals der dritte Ministerpräsident in einer Legislaturperiode. Zuvor hatten Gerhard Schröder und Gerhard Glogowski das Amt niederlegen müssen. Schröder wegen seines Wechsels ins Kanzleramt, Glogowski wegen des Vorwurfs, er habe sich durch seine Stellung materielle Vorteile verschafft.
Gabriel war damals der dritte Ministerpräsident in einer Legislaturperiode. Zuvor hatten Gerhard Schröder und Gerhard Glogowski das Amt niederlegen müssen. Schröder wegen seines Wechsels ins Kanzleramt, Glogowski wegen des Vorwurfs, er habe sich durch seine Stellung materielle Vorteile verschafft. © imago stock&people | imago
„Klar für Sigmar“ sollte Niedersachsen auch 2003 sein, zumindest nach Vorstellung der SPD. Allerdings setzte es bei der Landtagswahl in diesem Jahr eine schallende Ohrfeige: minus 14,5 Prozent, während die CDU mit Spitzenkandidat Christian Wulff über zwölf Prozent zulegte und die Wahl gewann.
„Klar für Sigmar“ sollte Niedersachsen auch 2003 sein, zumindest nach Vorstellung der SPD. Allerdings setzte es bei der Landtagswahl in diesem Jahr eine schallende Ohrfeige: minus 14,5 Prozent, während die CDU mit Spitzenkandidat Christian Wulff über zwölf Prozent zulegte und die Wahl gewann. © imago stock&people | imago
Von 2003 bis 2005 war Gabriel stellvertretender Vorsitzender der SPD in Niedersachsen und Chef des SPD-Bezirks Braunschweig. Und er hatte noch genug Zeit, um sich als Partei-Beauftragter für Popkultur und Popdiskurs einspannen zu lassen. Spitzname: Siggi Pop.
Von 2003 bis 2005 war Gabriel stellvertretender Vorsitzender der SPD in Niedersachsen und Chef des SPD-Bezirks Braunschweig. Und er hatte noch genug Zeit, um sich als Partei-Beauftragter für Popkultur und Popdiskurs einspannen zu lassen. Spitzname: Siggi Pop. © imago stock&people | imago
2005 stand für Gabriel dann der Umzug nach Berlin an. Er war erstmals zur Bundestagswahl angetreten und gewann das Direktmandat seines Wahlkreises mit 52,3 Prozent der Erststimmen. Auch bei den Wahlen 2009 und 2013 holte er das Mandat. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) berief ihn in der großen Koalition zum Chef des Umweltministeriums, Bundestagspräsident Norbert Lammert (rechts) vereidigte ihn am 22. November.
2005 stand für Gabriel dann der Umzug nach Berlin an. Er war erstmals zur Bundestagswahl angetreten und gewann das Direktmandat seines Wahlkreises mit 52,3 Prozent der Erststimmen. Auch bei den Wahlen 2009 und 2013 holte er das Mandat. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) berief ihn in der großen Koalition zum Chef des Umweltministeriums, Bundestagspräsident Norbert Lammert (rechts) vereidigte ihn am 22. November. © imago stock&people | imago
In seiner Zeit als Umweltminister nahm Gabriel nicht nur Hybrid-Autos unter die Lupe, wie hier im Juni 2008 mit dem damaligen VW-Boss Martin Winterkorn – er setzte sich auch auf anderen Wegen für die Energiewende ein und forcierte den Atomausstieg.
In seiner Zeit als Umweltminister nahm Gabriel nicht nur Hybrid-Autos unter die Lupe, wie hier im Juni 2008 mit dem damaligen VW-Boss Martin Winterkorn – er setzte sich auch auf anderen Wegen für die Energiewende ein und forcierte den Atomausstieg. © imago stock&people | imago stock&people
Am 13. November 2009 wurde Gabriel auf dem Bundesparteitag in Dresden zum SPD-Vorsitzenden gewählt. 94,2 Prozent der Delegierten stimmten damals für ihn.
Am 13. November 2009 wurde Gabriel auf dem Bundesparteitag in Dresden zum SPD-Vorsitzenden gewählt. 94,2 Prozent der Delegierten stimmten damals für ihn. © imago stock&people | imago stock&people
Sigmar Gabriel beim Bierchen mit der damaligen NRW-Vizechefin Hannelore Kraft beim Politischen Aschermittwoch der SPD im Jahr 2010. In den folgenden Jahren wurde Gabriels Rückhalt in der Partei langsam, aber sicher immer kleiner. Beim Bundesparteitag 2011 vereinte er 91,6 Prozent der Stimmen auf sich, 2013 waren es nur noch 83,6 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2013 ging Peer Steinbrück als Spitzenkandidat der SPD ins Rennen.
Sigmar Gabriel beim Bierchen mit der damaligen NRW-Vizechefin Hannelore Kraft beim Politischen Aschermittwoch der SPD im Jahr 2010. In den folgenden Jahren wurde Gabriels Rückhalt in der Partei langsam, aber sicher immer kleiner. Beim Bundesparteitag 2011 vereinte er 91,6 Prozent der Stimmen auf sich, 2013 waren es nur noch 83,6 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2013 ging Peer Steinbrück als Spitzenkandidat der SPD ins Rennen. © imago stock&people | imago stock&people
Nach dem Desaster für die FDP bei der Bundestagswahl 2013 wurde die SPD wieder Koalitionspartner der Union. Gabriel ist seitdem Vize-Kanzler und war bis Januar 2017 Wirtschaftsminister.
Nach dem Desaster für die FDP bei der Bundestagswahl 2013 wurde die SPD wieder Koalitionspartner der Union. Gabriel ist seitdem Vize-Kanzler und war bis Januar 2017 Wirtschaftsminister. © imago/ZUMA Press | imago stock&people
2015 äußerte Gabriel, dass er bei der Bundestagswahl „natürlich“ Kanzlerkandidat werden wolle. Das hat sich geändert. Am 24. Januar 2017 bestätigter er seinen Verzicht auf die SPD-Kanzlerkandidatur und legte auch den SPD-Vorsitz nieder.
2015 äußerte Gabriel, dass er bei der Bundestagswahl „natürlich“ Kanzlerkandidat werden wolle. Das hat sich geändert. Am 24. Januar 2017 bestätigter er seinen Verzicht auf die SPD-Kanzlerkandidatur und legte auch den SPD-Vorsitz nieder. © REUTERS | AMIR COHEN
Mit dem Wechsel von Frank-Walter Steinmeier ins Bundespräsidentenamt wurde Gabriel für die restliche Legislaturperiode Außenminister der Koalition. Dieses Foto zeigt ihn während seiner Rede am 21. September 2017 bei der 72. UN-Vollversammlung in New York (USA).
Mit dem Wechsel von Frank-Walter Steinmeier ins Bundespräsidentenamt wurde Gabriel für die restliche Legislaturperiode Außenminister der Koalition. Dieses Foto zeigt ihn während seiner Rede am 21. September 2017 bei der 72. UN-Vollversammlung in New York (USA). © dpa | Bernd von Jutrczenka
Gabriel im Gespräch mit Flüchtlingskindern im Flüchtlingslager „Hasansham U3“ bei Baschika, unweit von Mossul.
Gabriel im Gespräch mit Flüchtlingskindern im Flüchtlingslager „Hasansham U3“ bei Baschika, unweit von Mossul. © dpa | Kay Nietfeld
Gabriel und der ehemalige US-Aussenminister Henry Kissinger im August 2017 in Kent (USA).
Gabriel und der ehemalige US-Aussenminister Henry Kissinger im August 2017 in Kent (USA). © imago/photothek | Inga Kjer
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SPD-Basis kann immer noch alles kippen

Aber niemand kann seriös einschätzen, ob die SPD-Basis die geplante Koalition zulässt. Wie groß ist der Frust darüber, dass die CSU sich mit einer gefühlten „Obergrenze“ von 180.000 bis 220.000 Flüchtlingen letztlich gegen die Asylrechtspartei SPD durchgesetzt hat? Reicht das, was Schulz und Co. auf den anderen Feldern herausgeholt haben? Können 8000 zusätzliche Pflegekräfte, Tausende neue Polizisten, höheres Kindergeld, mehr Sozialwohnungen und eine Grundrente gegen Altersarmut die in den Ortsvereinen weit verbreitete Angst kleinhalten, dass die SPD in einer erneuten GroKo endgültig zerrieben wird?

Genau das fürchtet Kevin Kühnert. Der Juso-Chef und das Gesicht der No-GroKo-Bewegung regt sich am Sonntag mal wieder über die Koalitionäre auf. Es geht nicht um Schulz, sondern um die Wölfe. Fast eine Stunde beschäftigte sich die Runde der Top-15-Verhandler damit, wie die Politik auf die von vielen Bürgern besorgt verfolgte Ausbreitung des Wolfes reagieren soll. CSU-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt sprach verschwurbelt von der „Möglichkeit der letalen Entnahme von Wölfen“. Für Kühnert ein abschreckendes Beispiel, wie unverständlich Politiker sich ausdrücken. „Was gemeint ist: abknallen“, klärt der Juso bei Twitter auf.

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Wer bis zum 6. Februar Mitglied ist, darf abstimmen

Die kommenden drei Wochen werden zu einem Fernduell zwischen Schulz und Kühnert. Beim Bonner Parteitag rettete sich Schulz mit 56 Prozent in die Koalitionsverhandlungen. Wie eng wird es jetzt? Dem Aufruf der Jusos, neu in die SPD einzutreten, um die GroKo zu verhindern, folgen offensichtlich Tausende.

In Servicestellen in Dortmund und in Düsseldorf schieben Dutzende am Wochenende freiwillig Sonderschichten, damit die vielen Neuen auch an der Mitgliederbefragung teilnehmen können. Nur wer bis zum 6. Februar registriertes Mitglied ist, darf über den Koalitionsvertrag mit der Union abstimmen. Bundesweit könnten es mehr als 15.000 sein.

Noch gut drei Wochen bis zum Mitgliederbescheid

Sobald der Koalitionsvertrag steht, werden die Wahlunterlagen verschickt. In gut drei Wochen wird die Fracht an Bord eines Postlasters zurück in Berlin erwartet. Dann holt die SPD zwei besondere Geräte aus dem Keller. 2013 waren für die Mitgliederbefragung zwei Hochleistungsschlitzmaschinen gekauft worden. 20.000 Briefe pro Stunde können sie öffnen. Bis dahin müssen sich Merkel, Seehofer und Schulz gedulden – und mit ihnen 80 Millionen Deutsche.